Yorck Dippe - kultur Nr. 20 - Oktober 2005

Elisabeth Einecke-Klövekorn trifft Yorck Dippe:
Neuer Preisträger in NRW und demnächst ein gekröntes Haupt der Nibelungen

Seinen 36. Geburtstag hat Yorck Dippe vor ein paar Tagen gefeiert und sich dabei auch noch mal gefreut, dass er völlig überraschend kurz vor der Sommerpause beim Theatertreffen NRW in Dortmund für seine Rolle als Doktor Wangel in Ibsens ”Frau vom Meer” als bester Schauspieler des Festivals ausgezeichnet wurde. Dass es in der Jury wegen der Auswahl der Inszenierungen heftig gekracht hat, ist kein Geheimnis. „Das einzige Geheimnis ist eigentlich nur, warum ich bisher keine offizielle Nachricht bekommen, geschweige denn die Dotierung des Preises erfahren habe”, sagt er fröhlich und fügt gleich hinzu: „Natürlich ist es toll, wenn man gesehen und in seiner Arbeit bestätigt wird. Ich war auch ziemlich glücklich, dass das Theater Bonn sich in diesem Jahr mit Thirza Brunckens eigenwilliger Ibsen-Interpretation vorstellen durfte. Dass die Nachwuchspreise gleich auch noch an zwei junge Ibsen-Darsteller von den Kölner ‚Gespenstern' gingen, fand ich spannend. Dieser Autor hat uns gegenwärtig offenbar viel zu erzählen. Er ist in seiner Konstruktion von zwischenmenschlichen Konstellationen unglaublich sensibel und präzise, denunziert seine Figuren nicht, zeigt ihre Verletzungen und gibt ihnen schauspielerisch bei ihren Selbstbehauptungsanstrengungen ein wunderbares Versuchspotenzial. Dazu gehört aber immer ein Ensemble, das sich auf die Herausforderungen seiner Stücke einlässt.” Deshalb versteht er den Preis trotz allem berechtigen persönlichen Stolz auch nicht nur als Belohnung einer Einzelleistung, sondern als Bestätigung des ganzen Ensembles dieser Produktion - ausdrücklich auch aller, die hinter der Bühne an ihrem Gelingen mitgewirkt haben.
Etliche der jetzigen Kollegen kennt er bereits seit zehn Jahren; 1995 begann er in Oberhausen und wechselte 2003 mit Klaus Weise nach Bonn. Seine erste Rolle dort war der kluge Cléante, der im silbrigen Barockkostüm mit aufklärerischer Eloquenz durch Molières ”Tartuffe” geisterte. Da schließt sich auch ein witziger Kreis: In dem Stück ”Trüffel”, das damals parallel zum ”Tartuffe” lief - in einer Inszenierung des jetzigen Oberhausener Intendanten Jochen Lepper - trat er als Gast zum ersten Mal in Oberhausen auf, bevor er dort fest engagiert wurde. „Es war ein Glücksfall, dass ich mich dort langsam entwickeln und vieles ausprobieren konnte. Die Kontinuität in der Zusammenarbeit mit Leuten, bei denen man sich gut aufgehoben fühlt, war für mich sehr hilfreich.”
Auch Werder Bremen hält Yorck Dippe bis heute die Treue und versäumt nur selten ein Spiel seiner Lieblingsmannschaft. In Bremen wurde er 1969 geboren, bei der Jugendmannschaft von Werder Bremen stand er im Tor, bis ihn mit ca.15 Jahren die Musik noch mehr begeisterte. Er lernte Klarinette und vor allem Saxophon, spielte in Jugendbands und trat als Straßenmusiker auf. Musik macht er immer noch gern und oft, zuletzt auch auf der Bonner Werkstattbühne, wo er in der schönen kleinen Produktion ”Je femme - La vie est une chanson!” als französischer Beau im weißen Anzug die Herzen der Damen höher schlagen ließ. Wie gut er singen kann, bewies er auch in der höchst erfolgreichen Revue ”Call my Number” in den Kammerspielen. Zum Fußballspielen kommt er leider nur noch selten, kickt aber gelegentlich als Mittelstürmer in der Theatermannschaft mit.
Den preußisch klingenden Vornamen Yorck verdankt er wohl der Weser und einem Schiff der berühmten Lürssen-Werft. „Da saßen meine Eltern wahrscheinlich am Ufer, sahen die Yorck-Lürssen vorbeifahren und dachten dran, dass sie möglicherweise bald irgendwas taufen müssten… Der Name gefällt mir aber, und als meine erste Schauspiellehrerin in München mich sofort damit begrüßte, habe ich mich als Nordlicht im Süden gleich wohlgefühlt.” Theaterblut hatte er da schon längst geleckt: Im Jugendclub am Bremer Theater, wo damals Günter Krämer das Schauspiel leitete. Unter der Regie von Hans Falár spielte Dippe 1989 eine kleine Rolle in ”Frühlings Erwachen”. „Vor kurzem fand ich noch einen Brief von Falár aus Bonn, wo er damals gerade in der Halle Beuel als Grillparzers ‚König Ottokar' gastierte. Er hat uns jungen Leuten eine Menge Handwerkszeug vermittelt.” Torsten Fischer holte Dippe danach für ein kurzes Gastspiel ans Volkstheater Wien - weil er für seine Inszenierung von Williams' ”Süßer Vogel Jugend” einen jungen Saxophonisten suchte.
Nach etlichen Bewerbungen landete Dippe dann an der privaten Neuen Münchner Schauspielschule und verdiente sich das Geld für die Ausbildung durch Kellnern in diversen Schwabinger Szenekneipen und gelegentliche kleine Auftritte in Fernsehserien. Film und Fernsehen interessieren ihn aber bis heute als eigenes Arbeitsfeld nicht sonderlich, obwohl er ein passionierter Kinogänger ist. Lieber sind ihm Auftritte in Hörspielen oder Radio-Features; im WDR 3 ist er öfter mal zu hören. „Das ist eine wunderbare Herausforderung, weil man sich da ganz auf die Stimme konzentrieren und sehr genau mit der Sprache arbeiten muss.”
Nach dem Studium zog er nach Köln, weil er in dieser Stadt viele Bekannte hatte. Dort wohnt er immer noch mit seiner Freundin, der Schauspielerin Birgit Walter, und deren 15jährigem Sohn, seinem Patenkind. Er läuft in seiner knappen Freizeit gern am Rhein entlang, findet die Ufer und Brücken in Bonn inzwischen noch ein bisschen schöner als die kölnischen und entspannt sich beim sportlichen Laufen zwischen Godesberg und Beuel gern von den Proben.
Derzeit probt er in der Regie von Kay Voges an der Uraufführung von ”Unser Lied. Gesang vom Untergang Burgunds - Nibelungendestillat - ” von Helmut Krausser. Deswegen hat er sich auch noch mal intensiv mit der Wormser Festspielfassung der ”Nibelungen” von Moritz Rinke befasst, den er noch aus seiner Bremer Schulzeit kennt. Dippe spielt den Burgunderkönig Gunther. „Der hat zumindest den meisten Text und sehr viel Material zur spielerischen Gestaltung. Ich finde es aufregend, wie hier ein urdeutscher Mythos durchleuchtet und das Erzählen selbst zum Thema gemacht wird. Gunther schwankt zwischen Sehnsucht, Trotteligkeit und Hybris, ein Spieler und irgendwie auch ein Suppenkasper. Außerdem ist's ein Kindertraum von mir, endlich mal eine Krone auf dem Kopf zu tragen.” In Oberhausen war er zwar schon der Prinz in Klaus Weises Inszenierung von ”Emilia Galotti”, den er neben dem Werschinin in den ”Drei Schwestern” (Regie: Stefan Otteni) als eine seiner dortigen Lieblingsrollen nennt.
In Bonn war er Nick und der undurchschaubare Nachbar in ”Lantana”, zutiefst berührend als blinder Vater und geblendetes Opfer in ”Krieg”, umwerfend komisch als Herr Martin in den absurden Sprachspielen der ”Kahlen Sängerin” - und eben ein besonderes Glanzlicht in der ”Frau vom Meer”. Übrigens auch der seltsam aus seiner geordneten Welt gekippte irische Uni-Dozent Ray in ”Salzwasser” von Connor McPherson. Weises hervorragende Inszenierung dieses Stückes wurde 2001 zum Deutschen Kinder- und Jugendtheatertreffen nach Berlin eingeladen, versandete in Bonn aber seltsamerweise im extra dafür ins Opernfoyer gebauten ”Noteingang”. Darüber wollen wir in der Hausbar aber nicht mehr diskutieren. Zumal es zum Saisonbeginn so viel aufregenderes Neues gibt.

Dienstag, 25.02.2014

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