Sigrún Pálmadóttir - kultur Nr. 5 - 3/2004

Elisabeth Einecke-Klövekorn trifft Sigrún Pálmadóttir - Eine "Königin der Nacht" und "Olympia" aus Island

Zu Beginn dieses Jahres hatte die junge Sängerin ihren ersten großen Auftritt in ihrem Heimatland. Beim Neujahrskonzert in Reykjavik, das sogar im hohen Norden Wiener Walzerseligkeit erklingen lässt, war sie der Gesangsstar. Das Konzert mit dem Isländischen Symphonieorchester, das übrigens im Dezember 2003 auf einer sehr erfolgreichen Tournee auch in großen deutschen Konzertsälen wie der Kölner Philharmonie zu hören war, wurde live im Radio übertragen. „Auch das habe ich zum ersten Mal erlebt", sagt sie strahlend „und habe natürlich von hier aus im Internet alle isländischen Zeitungen nach Kritiken durchstöbert. Die waren durchweg begeistert - in Island war ich bis dahin ja völlig unbekannt. Jemand hat gesagt, dass der kürzeste Weg von Bolungarvik nach Reykjavik anscheinend über Bonn führe."
Sigrún Pálmadóttir, mädchenhaft schlank, bezaubernd burschikos und anscheinend immer von einer fast südlichen Munterkeit - „Italienisch ist für Opernsänger ein Muss!"-, lacht herzlich. In Bolungarvik im äußersten Nordwesten der Insel und gar nicht mehr weit vom Polarkreis hat sie 1974 das Licht der Welt erblickt. Dort hat sie auch ihre Liebe zur Musik entdeckt und mit acht Jahren angefangen, Klavier zu spielen. Nach dem Abitur bestimmte immer mehr der Gesang ihr Leben. „Wir Isländer singen sowieso sehr gern", sagt sie. „Auf privaten Festen wird fast immer ausgiebig gesungen, wenn auch nicht immer schön. Wir lieben unsere alten Volkslieder. Die klassische Musik hat keine richtige Tradition, obwohl es in Reykjavik schon seit Jahrzehnten ein schönes kleines Opernhaus gibt. Da spielt auch unser Symphonieorchester, das sich international ja durchaus hören lassen kann. Immerhin hat das ganze Land knapp so viele Einwohner wie Bonn."
Wie kommt eine junge, begabte Sängerin von Bolungarvik in die Bundesstadt? „Man muss es einfach anpacken!" - das scheint ohnehin ihr Lebensmotto zu sein. Zuerst hat sie Gesangsunterricht in Akureyri genommen, dann drei Jahre lang an der staatlichen Gesangsschule in Reykjavik studiert, im isländischen Opernchor erste Bühnenerfahrungen gesammelt und ihre Ausbildung 1999 mit einem internationalen Diplom abgeschlossen. Ihr fast akzentfreies Deutsch hat sie in vier Semestern vor dem Abitur schon auf der Schule gelernt - „Wir müssen einige Fremdsprachen können, denn Isländisch versteht außer uns ja kaum jemand" - , dann in Köln drei Monate lang als Au-Pair-Mädchen gejobbt: „Im Kontakt mit Kindern wird man sprachlich ganz schnell fit, auch wenn ich manchmal noch kleine Konflikte mit der Grammatik habe."
Nach dem Studium in Island hat sie sich an vielen deutschen Musikhochschulen beworben, wurde von etlichen zum Vorsingen eingeladen und ist drei Wochen lang quer durch ganz Deutschland gereist. In Köln und an der renommierten Hanns-Eisler-Schule in Berlin hat man ihr sofort einen der raren Studienplätze angeboten. Sie hat sich jedoch für die Opernschule an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Stuttgart entschieden, weil sie unbedingt ihre schauspielerischen Fähigkeiten weiter entwickeln wollte. „Für die szenische Arbeit habe ich da unendlich viel gelernt, ich brauchte erst mal die Lockerheit des Körpers, die ja Bedingung ist für die Spannung des Singens auf der Bühne." Selbstverständlich hat sie nebenbei noch Meisterkurse bei einigen wichtigen Lehrern absolviert.
Ihr erstes Engagement hat sie dann zu Beginn der Spielzeit 2001/02 in Bonn bekommen. „Als Anfängerin erarbeitet man sich kleinere Rollen, die zur Stimme passen. Zwei Jahre braucht man, bis man sicher ist, dass die Oper wirklich der Ort fürs eigene künstlerische Leben sein soll." Inzwischen hat sie eine Fachbezeichnung als Koloratursopran und als Koloratursoubrette. „Das ist für die Laufbahn sehr wichtig, auch wenn Du's nicht unbedingt kapieren musst. Die Berta in Rossinis "Barbier" z.B. musste ich als einfache Soubrette übernehmen, jetzt nicht mehr. Das ist aber Blödsinn, denn gerade diese Rolle hat mir einen Riesenspaß gemacht." In ihren ersten beiden Spielzeiten hat sie sich ein ihrer Stimme entsprechendes Repertoire und eine große Bühnenpräsenz erarbeitet und jeweils in ca. 80 Vorstellungen mitgewirkt. Einen skandinavischen Liederabend hat sie außerdem gestaltet - Grieg und Sibelius nennt sie als ihre Lieblingskomponisten - und 2002 bei einem Clara-Schumann-Abend im Bonner Schumann-Haus deutsche Lieder interpretiert. Kurz vor Weihnachten hat sie in der eher lyrischen Partie der Gretel in Humperdincks Märchen debütiert. Die vertrackten Höhen der Königin der Nacht in Mozarts "Zauberflöte" bewältigt sie inzwischen spielend. Zum ersten Mal öffentlich präsentiert hat sie deren höllische Arie übrigens 2001 bei der Gala zum 50. Jubiläum der Theatergemeinde BONN. Eine ganz große Herausforderung war in der letzten Spielzeit die Zerbinetta in "Ariadne auf Naxos". Da konnte sie ihren jugendlich leichten, glockenhellen Sopran und ihr Spieltalent zum Blühen bringen.
Bei unserem Treffen zwei Wochen vor der Premiere von "Hoffmanns Erzählungen" ist es die nächste Traumrolle, auf die sie sich ganz konzentriert: die Puppe Olympia, die sie übrigens in allen geplanten Vorstellungen singt. „Weil ich Französisch nur ein bisschen kann und noch nie gesungen habe, musste ich lange am Text arbeiten, um alle Nuancen zu verstehen und alle sprachlichen Feinheiten in meinen Gesang zu übertragen." Den Regisseur Philipp Himmelmann hat sie schon bei "La Cenerentola" kennen gelernt, in der sie Aschenputtels böse Schwester Clorinda gesungen hat. Sie findet es immer aufregend, wenn sie mit ihrer eigenen Vorstellung von einer Rolle ankommt und die dann in ein szenisches Gesamtkonzept einbringen kann. Für eine andere Traumrolle müssen ihre Stimme und ihre Ausstrahlung noch ein wenig reifen: Die Violetta in "La Traviata" möchte sie irgendwann gern mal singen. Als ihre großen Sängerinnen-Vorbilder nennt sie die Gruberová und die Callas. „Wenn ich höre, wie diese Frau Emotionen gestalten konnte, werde ich jedes Mal ganz blass."
Vorläufig hat sie mit ihren gegenwärtigen Partien ohnehin genug zu tun. Regelmäßiges Stimmtraining ist unverzichtbar. Sie übt etwa zwei Stunden am Tag, singt aber auch bei Proben immer voll aus. „Singen ist mindestens so viel Kopfarbeit wie physische Hochleistung - aber den Sport überlasse ich lieber meinem Mann." Der ist ihr aus Island nach Bonn gefolgt und hat als Basketball-Profi im 2. Team der Telekombaskets gespielt. Weil auch dort die Subventionen geschrumpft sind, arbeitet er inzwischen wieder in seinem Beruf als gelernter Elektriker, trainiert aber weiterhin seine tüchtigen Jungs in Sechtem. Sigrún Pálmadóttir nimmt das locker: „"Er kann mittlerweile so gut Deutsch, dass wir jetzt öfter mal gemeinsam ins Theater gehen können. "Männerhort" in der Werkstatt fand er klasse, nicht nur, weil der Autor isländische Vorfahren hat." Leider haben die beiden nur noch selten Zeit, ihre Familien im fernen Norden zu besuchen.

Dienstag, 25.02.2014

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