Ramaz Chikviladze - kultur 74 - 3/2011

Elisabeth Einecke-Klövekorn trifft Ramaz Chikviladze

Am Abend zuvor hat er den Komtur im Don Giovanni gesungen, einen Tag vorher den Musikanten und Brandstifter Ratzekahl in Schrekers Irrelohe. Der Bass Ramaz Chikviladze ist derzeit in vielen Produktionen von Theater Bonn zu erleben. Er war die riesige Köchin in der Liebe zu den drei Orangen, spielt in Carmen den grobschlächtigen Leutnant Zuniga, dem am Ende übel mitgespielt wird, und verkörpert in Turandot den alten, machtlosen Tatarenkönig Timur. Diese Rolle hat er im November 2009 bereits an der Oper von Monte Carlo an der Seite von Fabio Armiliato (Calaf), Sylvie Valayre (Turandot) und Daniela Dessi (Liu) unter der Leitung von Jacques Lacombe gesungen und schwärmt immer noch von der schönen Inszenierung des chinesischen Filmregisseurs Chen Kaige.
Mehrere Wochen verbrachte er kürzlich in Tel Aviv, wo er für die anspruchsvolle Partie des Silva in Verdis Ernani engagiert war. 2004 sang er in Tel Aviv bereits die Titelrolle in Verdis Attila, die er 2006 auch in Dublin verkörperte, und Anfang 2009 die Titelrolle in Boitos Mefistofele. Dass er demnächst mit einer neuen großen Rolle wieder in Israel, wo er sich sehr wohl fühlt, zu Gast sein wird, ist ziemlich sicher. Seine Frau, eine Sopranistin („Sie hat eine wunderschöne Stimme“), und sein bald dreijähriger Sohn kommen auf seinen Reisen fast immer mit. „Solange er noch nicht in den Kindergarten geht, ist das möglich. Außerdem liebt er die Oper, kennt sich im Bonner Haus bestens aus und dirigiert gern, wenn ich probe. Als ich ein kleiner Junge war, hatte ich von Opernstimmen überhaupt keine Ahnung. Ich wollte immer singen wie mein Vater, der mit georgischen Volksliedern auftrat.“
Geboren wurde Ramaz Chikviladze 1973 in dem südgeorgischen Kurort Borjomi, der wegen seines Mineralwassers berühmt ist. Ramaz verbringt dort mit seiner Familie regelmäßig die Sommerferien. 2010 begeisterte er seine Landsleute bei dem traditionellen Open-Air-Neujahrskonzert in der georgischen Hafenstadt Batumi, an dem neben diversen Gesangsstars auch José Carreras mitwirkte. 2011 war dort übrigens Julia Novikova zu Gast, die Ramaz wie mehrere andere Mitglieder des Bonner Ensembles schon in Dortmund kennenlernte.
Seine Karriere begann allerdings sportlich. Mit 14 Jahren startete er eine Ausbildung zum Profiboxer und brachte es 1990 zum Jugendmeister der UdSSR im Schwergewicht. Seine Stimme und seine musikalische Begabung fielen seinen Lehrern und Freunden auf. Er nahm privaten Gesangsunterricht und bestand die Aufnahmeprüfung am staatlichen Konservatorium in Tiflis, wo er 1998 sein Diplom erwarb. Bis 1995 bestritt er neben dem Gesangsstudium weiter internationale Boxkämpfe. „Ein körperliches Schwergewicht bin ich immer noch, was es auf dem immer mehr auf Aussehen achtenden Sängermarkt nicht einfacher macht, aber mein Standing gelegentlich auch unterstützt“, erklärt er lächelnd. „Singen ist wie Hochleistungssport und braucht auch mentale Durchsetzungsfähigkeit wie beim Boxen, wo die schlichte Kraft allein nicht ausreicht. Außerdem sind Bässe selten strahlende Bühnenhelden.“ Seine ausdrucksvolle, samtig dunkle Bass-Stimme, deren Umfang bis ins tiefe Baritonfach reicht, braucht einfach ein gewisses körperliches Volumen.
Schon während des Studiums debütierte er 1995 als Solist in der Rolle des Gendarmen Sciarrone in Tosca an der Staatsoper Tiflis. Auftritte an der „Gelikon Opera“ in Moskau und in anderen russischen Städten folgten. Er erhielt Stipendien für die Akademie an der Mailänder Scala und die Opernakademie im italienischen Osimo. Beim dortigen Musikfestival sang er zum ersten Mal Mozarts Komtur, der inzwischen ebenso zu seinem Repertoire gehört wie Osmin und Sarastro, die beide auch in Bonn zu seinen Glanzstücken gehörten.
Ein weiteres Stipendium führte ihn nach Marseille ans Centre National d’Artistes Lyriques (CNIPAL), einer wichtigen internationalen Ausbildungsstätte für den Sängernachwuchs. Bei einem Wettbewerb in Wien beeindruckte er die Leitung der Bayerischen Staatsoper München und wurde 2003 Mitglied ihres Jungen Ensembles. „Die Münchener Zeit war für mich sehr wichtig, um Bühnenerfahrungen zu sammeln und von berühmten Kollegen zu lernen.“ An der Bayerischen Staatsoper sang er u. a. den Capulet in Gounods Roméo et Juliette unter Marcello Viotti und den Nachtwächter in Wagners Meistersingern unter Zubin Mehta.
Ab der Spielzeit 2005/06 war er Ensemblemitglied an der Oper in Dortmund, wo er sein Repertoire erheblich erweitern konnte. Fafner (Rheingold und Siegfried), Bartolo (Barbiere di Siviglia), Leporello (Don Giovanni), Crespel (Contes d’Hoffmann), Kecal (Verkaufte Braut), Monterone und Sparafucile (Rigoletto) gehören zu den vielen Partien, die er sich dort erarbeitete. „Bei meiner Ausbildung in Georgien, das damals von politischen Konflikten geprägt war, und auch später standen der Gesang und die Musik im Vordergrund. Unter der Intendanz von Christine Mielitz in Dortmund bekam ich die Chance, meine schauspielerischen Fähigkeiten weiter zu entwickeln. Ich finde es langweilig, wenn ein Sänger nur rumsteht und nicht wirklich agiert.“
Seit der Spielzeit 2008/09 gehört Ramaz zum Ensemble der Oper Bonn. Als finsterer Verschwörer Tom in Verdis Un Ballo in Maschera stellte er sich dem hiesigen Publikum vor. Sparafucile in Rigoletto, Dulcamara in L’Elisir d’Amore, der Fürst von Bouillon in Adriana Lecouvreur, Landgraf Hermann in Tannhäuser, der Erzbischof in Król Roger und Dikoj in Katja Kabanowa waren weitere Rollen. Den Grafen Rodolfo in Bellinis La Somnabula (Premiere am 3.Juli) bereitet er derzeit ebenso vor wie den Wassermann in Dvo?áks Rusalka. Bei der Premiere am 3.April wird er allerdings nicht in Bonn sein, weil er in Palermo in der selten gespielten Oper Griechische Passion von Bohuslav Martin? gastiert. Vorher fliegt er noch nach Riga, wo er den Zaccaria in Verdis Nabucco singt, eine Rolle, in der er auch schon in Dublin zu erleben war.
„Das italienische Fach entspricht meiner Stimme. Besonders die großen tiefen Verdi-Partien gefallen mir. Der Philipp in Don Carlos wäre eine wunderbare Rolle.“ Konzertant gesungen hat Ramaz, der auch ein gefragter Konzertsänger ist, ihn bereits mehrfach. Natürlich liegt ihm auch das russische Fach, zumal ihm die Sprache sehr vertraut ist. Der Fürst Gremin in Tschaikowskis Eugen Onegin gehört zu seinem Repertoire. Als Traumrolle nennt er die Titelpartie in Mussorgskis Boris Godunow.
Vor allem möchte er fürs Publikum singen und spielen und den Leuten in handwerklich perfekten, klar begreiflichen Inszenierungen gute Geschichten präsentieren. Die Dominanz der Regie ist deshalb eher nicht sein Fall. „Ich bin ein Fan von Repertoire-Klassikern, die länger als eine Saison auf dem Spielplan bleiben.“ In reizvollen Nebenrollen, bei denen seine Stimme nur mäßig herausgefordert wird, möchte er auf keinen Fall stecken bleiben.

Donnerstag, 01.12.2011

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