Ralf Drexler- kultur Nr. 25 - März 2006

Elisabeth Einecke-Klövekorn trifft Ralf Drexler - Lottchens Künstlerpapa und demnächst ein General

Gerade hat er wieder den Wiener Maestro Ludwig Palfy gespielt in Erich Kästners Doppeltem Lottchen. Die Kinder in der ausverkauften Vormittagsvorstellung sind wie immer begeistert mitgegangen und hatten riesigen Spaß bei den spannenden Abenteuern der Zwillinge und der glücklichen Familienzusammenführung. In der Kantine der Kammerspiele schaltet Ralf Drexler - jetzt wieder ohne blonde Künstlermähne - erst mal ab: „Für Kinder zu spielen, ist etwas Besonderes und macht mir immer wieder Vergnügen, aber es ist auch anstrengend. Gerade weil wir bei diesem Stück auch so viele unterschiedliche Anfangszeiten haben, auf die man dann seinen persönlichen Rhythmus einstellen muss.“ Kästners widerständige Kinderstücke liebt er seit langem: Auch in Oberhausen hat er sich schon in dem Klassiker Emil und die Detektive auf die kriminalistische Spur begeben und dazu beigetragen, dass einem kleinen Jungen zu seinem Recht verholfen wird.
Seit dieser Spielzeit ist Drexler festes Ensemble-Mitglied am Theater Bonn. Als Gast war er dort schon vorher mehrfach zu sehen. In Brechts Arturo Ui in der Regie von Kay Voges war er der loyale Ernesto Roma, der vom gewissenlosen Diktator brutal aus dem Weg geräumt wurde. „Mit Kay gibt es einen kontinuierlichen künstlerischen Dialog, woran mir viel liegt.“ Kennen gelernt hat er ihn bei mehreren Produktionen in Oberhausen und in dieser Spielzeit unter seiner Regie den Hagen gespielt in der grandiosen Nibelungen-Adaption Unser Lied von Helmut Krausser. „Das war ein richtiger Brocken, dieser politische Denker, der zynisch und doch sehr ehrlich ist und die Geschichte neu erfindet.“ Eine ähnliche Herausforderung ist die Rolle des Generals, also des modernen Gegenstücks zu dem mythischen Helden Herakles, den er demnächst in dem Stück Sanft und grausam von Martin Crimp verkörpern wird. Die Proben unter der Regie von Michael Helle haben vor kurzem begonnen. „Der General taucht erst am Schluss auf als kranker Mann - inkontinent, verletzt, politisch aus dem Spiel geworfen; er hat auch gar nicht soviel Text, man muss das als Schauspieler sehr genau strukturieren, mit Phantasie anreichern…“
Theater spielen wollte der 1964 im saarländischen Dillingen geborene Ralf Drexler eigentlich immer schon und hat bereits im Kindergarten damit angefangen. Welches Märchen es war, weiß er zwar nicht mehr, aber gespielt hat er damals einen Scherenschleifer und sich dafür von seinem Großvater den Hut und die Pfeife ausgeliehen. Eine zweite Bühne fand er in der Kirche gleich neben dem Kindergarten. Die Rolle des Messdieners hat er aber bald wieder aufgegeben: „Ich war ziemlich sauer, als ich bei einer Hochzeit fünf Mark bekam und die sofort in der Sakristei abliefern musste. Seitdem habe ich etwas Mühe mit der Autorität in der Katholischen Kirche.“ Strikte Autoritäten mag er ohnehin nicht besonders - vielleicht auch ein Grund, weshalb er sich zur Lebenshaltung des Buddhismus hingezogen fühlt. „Es sind die Achtung vor der Würde des Lebens und die soziale Kompetenz, die mich daran so faszinieren.“
Ein paar Autoritätskonflikte waren es wohl auch, die seine Schulzeit im Internat Salem am Bodensee vorzeitig beendeten. Abitur gemacht hat er dann im Landschulheim Holzminden. In der dortigen Theater-AG hat er natürlich wie bereits in Salem („na ja, die Soap-Karriere meiner ehemaligen Schule ist für mich ganz lustig“) einige große Rollen gespielt. Etliche Jahre zuvor hatte dort auch der Regisseur Otto Schnelling mitgewirkt, der den jungen Ralf Drexler Anfang der 90er Jahre ans Junge Theater Göttingen holte. „Das war kein Jugendtheater. Wir hatten einen ganz normalen Spielplan, mit dem wir allerdings den literarischen Anspruch in einer kleinen Studentenstadt etwas höher hängten. Es fiel der nach der deutschen Wiedervereinigung auslaufenden ‚Zonenrandförderung' leise zum Opfer.“
Aber zunächst kam die Schauspielausbildung: „Ich wollte den Beruf anständig erlernen und unbedingt an eine staatliche Schule.“ Nach den üblichen Bewerbungen und Vorsprechen, wo er es mehrfach in die Endrunde schaffte, klappte es an der Schauspielakademie Zürich. Nach dem Diplom 1989 folgten verschiedene Engagements in der Schweiz, dann eine längere Zeit in Göttingen. Dort lernte er auch Johannes Lepper kennen, den jetzigen Intendanten in Oberhausen, mit dem er seitdem viel zusammengearbeitet hat. Die Titelrolle in Tankred Dorsts Parzival nennt er als eine seiner wichtigsten Erfahrungen und nennt den künstlerischen Leiter der früheren Bonner Biennale als einen von ihm besonders bewunderten Dichter. Ein Stück hat Ralf Drexler übrigens auch selbst verfasst. Es hieß Schloss Brockenklotz oder das vergessene Märchen und wurde in St. Moritz uraufgeführt. Aber die Schauspielerei war dann doch eher seine Sache als das Schreiben.
Von 1993 bis 1997 war er am Landestheater Tübingen fest engagiert, danach arbeitete er als freier Schauspieler am Staatstheater Hannover, am Schlosstheater Moers und am Stadttheater Oberhausen. In Hannover hat er z.B. 1998 bei der Uraufführung von Dea Lohers grausamem Mysterienspiel Adam Geist in der Regie von Andreas Kriegenburg mitgewirkt, einem Stück, das ihn immer noch beschäftigt.
In Oberhausen wurde der damalige Intendant Klaus Weise auf Ralf Drexler aufmerksam, der zugibt: „Treue ist zwar so ein großes Wort, das ich aber immer noch ernst nehme; es gibt durchaus über Jahre hinweg gewachsene gemeinsame künstlerische Interessen.“
In Klaus Weises erfolgreicher Inszenierung von Shakespeares Wintermährchen, spielte er den Cleomenes und stand in dieser von Oberhausen übernommenen Produktion zum ersten Mal auf der Bühne der Bonner Kammerspiele. Im ersten Familienstück unter Weises Bonner Intendanz Pettersson, Findus und der Hahn von Sven Nordquist war er nicht nur der brave Bauer Pettersson, sondern auch das äußerst stattliche Huhn Stina-Fina. „Letzteres sogar fast noch lieber, auch wenn man mich da kaum erkennen konnte“, meint Ralf Drexler vergnügt. In Klaus Weises Inszenierung von Eugene O'Neills Trauer muss Elektra tragen übernahm er den Part des Adam Brant. Die Zweitbesetzung nach dem Fernsehstar Wolfgang Maria Bauer ist natürlich etwas undankbar, aber als "eher introvertierter, zutiefst verletzter Kämpfer" (s. Rezension in kultur 22) hat er viele Zuschauer sogar noch mehr überzeugt. Und um genau diese kluge Überzeugungskraft geht es dem Schauspieler, der wahrscheinlich nur dann herzhaft lacht, wenn es seine Rolle erfordert.
Während unseres Gespräches macht er sich Sorgen um seine kranke achtjährige Retriever-Hündin Vreni. Die hat in Emil und die Detektive nämlich die ganze Crew so an die Wand gespielt, dass Klaus Weise ihr in Oberhausen nach der 70. Vorstellung persönlich eine Gage von 500 DM spendierte. Wir meinen, sowas sollte auch in Bonn keine Rechnungsprüfung auf die Palme bringen. Wegen Vreni schwingt sich Ralf Drexler schnell auf seinen kleinen Tretroller und saust zum Bad Godesberger Bahnhof, um rechtzeitig vor der nächsten Probe beim nachmittäglichen Tierarzttermin zu sein.

Dienstag, 25.02.2014

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