Mirko Roschkowski - kultur 73 - 2/2011

ELISABETH EINECKE-KLÖVEKORN TRIFFT MIRKO ROSCHKOWSKI
Ein Sultan, zwei Prinzen und immer wieder Mozart

Am Tag nach unserem Gespräch wird der 35-jährige Tenor im Bonner Operhaus sein Debüt als Don José in Carmen geben. Mirko Roschkowski freut sich darauf, zumal er die einfallsreiche Inszenierung von Florian Lutz sehr mag und das französische Fach ihm liegt. Die Titelrolle in Gounods Fausthat er schon in Bremerhaven, Hildesheim und Düsseldorf gesungen. An der Deutschen Oper am Rhein war er von 2006 bis 2009 engagiert; seit der Spielzeit 2009/10 gehört er zum Ensemble in Bonn. Wenn am 16.Januar seine verehrte Mentorin Edda Moser in Bonn zu Gast ist, kann er leider nicht dabei sein, denn dann singt er in Leipzig den Achilles in Glucks Iphigenie in Aulis. Premiere feierte die Inszenierung von Peter Konwitschny im Rahmen seines Leipziger Gluck-Zyklus im November 2010. „Die Proben mit diesem großen Regisseur waren fantastisch. Ich bin ein Fan von Effizienz und Produktivität. Bei Konwitschny geht’s in jeder Minute vorwärts. Natürlich gab es etliche Buhs für die freche comic-artige Regie, aber die Arbeit hat Spaß gemacht. Auch weil die sehr hoch liegende Heldenpartie für mich eine wichtige Herausforderung war.“
In Bonn probt er derzeit den Sultan Bajazete in Händels Tamerlano (Premiere am 27.2.), eine der ersten für einen Tenor und nicht für einen Kastraten geschriebenen Männerrollen des Musiktheaters. „Bajazete ist eine der attraktivsten Partien der barocken Oper mit ganz wunderschönen Arien und einer sehr feinen Charakterzeichnung. Toll ist auch die Zusammenarbeit mit dem Regisseur Philipp Himmelmann, der einem viele spielerische Möglichkeiten eröffnet.“ Roschkowski hat ihn bei Prokofjews Die Liebe zu den drei Orangen kennengelernt, wo er als Prinz mit Mark Rosenthal alternierte.
Im Dezember gab er in dieser Rolle übrigens sein Debüt an der Komischen Oper Berlin in der 100. Vorstellung der beliebten Inszenierung von Andreas Homoki.
Ein weiterer Prinz folgt Anfang April in Dvo?áks Rusalka und im Mai dann der Baron Kronthal in Lortzings Wildschütz. Sein Terminkalender ist mehr als gefüllt, denn in der nächsten Spielzeit wird er oft in Köln zu hören sein. Fest verpflichtet ist er bereits für den Anatol Kuragin in Prokofjews Krieg und Frieden und 2012 für den Telemaco in Monteverdis Il ritorno d’Ulisse in patria. An der Kölner Oper sang er den Don Ottavio in Mozarts Don Giovanni und war damit beim China-Gastspiel im Herbst 2010 in Peking zu Gast, mit dem Froh in Wagners Rheingold in Shanghai. „Froh ist jetzt kein Riesending, aber mit dem ‚Ring’ in den fernen Osten zu reisen, war eine Wahnsinnserfahrung. Irgendwie habe ich immer Glück gehabt.“
Zu den frühen Glücksmomenten des gebürtigen Dortmunders gehört Ottavios Arie „Dalla sua pace“. Eine „Don Giovanni“-Schallplatte mit Luigi Alva lieh ihm sein Musiklehrer am Gymnasium, der Opernsänger und Kirchenmusiker Lothar Trawny, mit dem Roschkowski bis heute eng zusammenarbeitet. „Ich war bis dahin noch nie in der Oper und wollte danach nur noch Operngesang hören. Ich wurde ein richtiger Stimmen-Freak, steckte mein ganzes Taschengeld in CDs und glaubte, wenn ich die ‚Drei Tenöre’ hörte: Das kann ich auch. So einfach war’s natürlich nicht; erst mal kümmerte sich Trawny um meine Stimme. Dass ich vom Gesang irgendwann leben könnte, erschien mir jedoch so unwahrscheinlich, dass ich nach dem Abitur an der Uni Köln ein Studium der Sonderpädagogik begann.“
Nebenbei nahm er privaten Gesangsunterricht, was seiner Literaturprofessorin Birgit Lermen nicht verborgen blieb, die ihn ihrer Freundin Edda Moser vorstellte. „Von ihr habe ich enorm viel gelernt, was Ausdruck und Biss betrifft und wie man sich körperlich in Ton und Gesang hinein gibt, also quasi selbst zu Musik wird.“ 2001 traute er sich, am internationalen Gesangswettbewerb „Alexander Girardi“ in Coburg teilzunehmen und kam auf Anhieb in die dritte Runde. Meisterkurse u. a. bei Deon van der Walt, Christoph Prégardien, Raúl Giménez, Edda Moser und Horst Laubenthal folgten. Erste Bühnenerfahrungen sammelte er als Operettenbuffo in Solingen und Gummersbach. Gustl in Lehárs Land des Lächelns war seine erste große Rolle. „An dessen Auftrittssatz habe ich so gearbeitet, dass ich ihn heute noch abspulen kann. Der Regisseur Siegfried Grote nahm mich an die Hand, um mir dasBühnenhandwerkszeug beizubringen, weil ich ja keine Musikhochschul-Ausbildung hatte. Was vielleicht auch ganz gut ist, weil mir dadurch der übliche Konkurrenzdruck unter Nachwuchssängern erspart blieb. Operette liebe ich immer noch; wahrscheinlich war der Barinkay im Zigeunerbaron mein bisher größter Erfolg“ (übrigens auf CD nachzuhören).
Jemand, der inzwischen fast alle Mozartpartien seines Fachs an großen Häusern gesungen hat, kann so was sagen. Mit Tamino gab er seinen Einstand an der Dresdner Semperoper und an der Wiener Volksoper und sang ihn u. a. in Bonn, Köln und Düsseldorf. Als Belmonte glänzte er kürzlich in Uwe Eric Laufenbergs Entführung im Kölner Palladium und wird im Mai 2011 mit dieser Partie an der Berliner Staatsoper debütieren. Ferrando sang er unter Laufenbergs Intendanz in Potsdam, als Idomeneo gastierte er 2007 am Staatstheater am Gärtnerplatz in München und als Lucio Silla 2008 am Staatstheater Stuttgart. Am häufigsten gesungen hat er Ottavio, der jetzt bei der Wiederaufnahme von Klaus Weises Don Giovanni am 14. und 22.1. auf seinem Programm steht. Eigentlich fehlt ihm nur noch Mozarts Titus, der 2012 aber auf ihn zukommen wird. Wo, darf er noch nicht verraten.
Als er im November 2002 sein Staatsexamen als Sonderschullehrer machte („Mein zweitliebster Job wäre das immer noch“), hatte er sein erstes Fest-Engagement schon in der Tasche. Am Landestheater Detmold erarbeitete er sich etliche Partien, sang z.B. Edmondo in Puccinis Manon Les caut unter dem Dirigenten Erich Wächter und Jack O’Brien in Brecht/Weills Aufstiegund Fall der Stadt Mahagonny. Die Landestheater-Erfahrung mit Abstechern war anstrengend und nützlich. Profilieren konnte Roschkowski sich danach drei Jahre lang am Stadttheater Bremerhaven, bevor er 2006 nach Düsseldorf zog („ein Riesen-Ensemble, wo man im Repertoire-Betrieb allerdings selten eigene Rollen-Ideen entwickeln kann“) und sich 2009 unter mehreren Angeboten für Bonn entschied, wo er gern weiterhin seinen Wohnsitz behält.
Dem Publikum vorgestellt hat er sich hier als Walther von der Vogelweide im Tannhäuser. Große Wagner-Rollen wie Lohengrin oder Stolzing kann er sich in absehbarer Zeit durchaus vorstellen. „Man muss aber aufpassen mit der Stimme und braucht gute Berater. Ich hatte unheimliches Glück, ständig tollen Leuten zu begegnen. Für Konzerte habe ich momentan wenig Zeit, nehme aber Klavierunterricht bei der wunderbaren Liedbegleiterin und Pianistin Gertraud Ottinger, mit der ich Schuberts Schöne Müllerin und Schumanns Dichterliebe mehrfach präsentieren durfte.“ Am 23.Januar gehört er zu den Protagonisten beim Konzert „Klassik um 11“ in der Beethovenhalle unter der Leitung von Stefan Blunier und singt den Ersten Tenor in Beethovens Messe C-Dur und Schuberts Messe Es-Dur. Er freut sich darauf, weil purer Gesang ohne Pose einfach schön ist. Obwohl er sich mit leichter Selbstironie als „Rampensau“ bezeichnet. „Natürlich hab ich Lampenfieber und fürchte mich immer vor einem großen Auftritt. Aber auf der Bühne geht’s mir dann richtig gut. Das ist ein Vorteil in dem Beruf, in dem ich eigentlich nur mit viel Glück gelandet bin. Außerdem bin ich ein Stimmenfan und höre mir immer wieder gern die Kollegen an.“ Deshalb will er sich am Abend vor seinem ersten Auftritt in Carmen endlich Irrelohe gönnen.

Donnerstag, 08.12.2011

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