Maren Pfeiffer - kultur 70 - November 2010

Elisabeth Einecke-Klövekorn trifft Maren Pfeiffer: Schauspielerin und Intendantin des kleinsten Bonner Theaters "Die Pathologie“

Maren Pfeiffer pflegt die Website, Christoph Pfeiffer macht die Spielplan-Flyer und Plakate. Verwandt sind die beiden übrigens nicht; die Namensgleichheit ist purer Zufall. Thomas Dreier opfert seine knappe Freizeit für seine Tätigkeit als Hausfotograf des Theaters. Das künstlerische Multitalent Thomas Franke gestaltet die Drucksachen für seine Vorstellungen selbst. Selber machen muss man fast alles in einem winzigen Theater mit ca. 25 Sitzplätzen.
Einen runden Geburtstag konnte die „Die Pathologie“, die keine öffentlichen Fördergelder erhält und deshalb auf der umstrittenen „Giftliste“ der sparwilligen Stadt Bonn gar nicht auftaucht, am 1. Oktober mit vielen Freunden und einer herrlich ‚pathologischen’ Revue gleichwohl feiern. Vor zehn Jahren etablierten Reinar Ortmann, Maren Pfeiffer und Thomas Franke im Keller unter der Bonner Südstadtkneipe „Pathos“ an der Weberstraße einen neuen Theaterschauplatz. Erfahrungen am Stadttheater und in der freien Szene brachten die drei reichlich mit. Maren und Reinar hatten in verschiedenen studentischen Theatergruppen gearbeitet. Thomas hatte in Reinars Regie bereits erfolgreich das Modell (das berühmte Stück für einen Schauspieler und einen Zuschauer) auf die Bühne gebracht. Reinar, der einige Jahre als Regieassistent am städtischen Theater tätig war, übernahm die künstlerische Leitung der „Pathologie“. 2004 kam der gebürtige Österreicher Christoph Pfeiffer hinzu, der vorher u. a. beim Frank Heuels „Jubiläumsensemble“ Regie geführt hatte, aus dem später das ‘fringe-ensemble’ hervorging.
„Der damalige ‚Pathos’-Wirt wollte immer schon ein Theater in seinem Haus haben und stellte uns den Raum ohne Miete zur Verfügung. Mit der szenischen Lesung eines grotes­ken Vampirstücks fingen wir an. Dann folgte als erste richtig große Inszenierung Carmen nach der Novelle von Mérimée. Weil wir natürlich kein Geld für Werbung hatten, dauerte es eine Zeit, bis das Publikum uns wirklich wahrnahm. Die Zusammenarbeit mit der Theatergemeinde hat uns sehr geholfen. Gerade die neuen, politischen Stücke können wir deshalb so lange im Repertoire halten, weil Eure Mitglieder regelmäßig kommen“, berichtet Maren beim Kaffee im „Pathos“. Literarische Entdeckungen und Experimente, Collagen und szenische Lesungen, Dramatisierungen von bekannten Erzählungen und zeitgenössische Stücke bestimmen bis heute den Spielplan. Als Reinar 2009 als Dramaturg ans Düsseldorfer Schauspielhaus wechselte, wurde Maren künstlerische Leiterin der „Pathologie“.
„Dass ich professionelle Schauspielerin werden müss­te, war mir klar, seitdem ich mit sechs Jahren die Pechmarie in Frau Holle gespielt hatte“, erklärt die attraktive, hochgewachsene (179 cm) Frau mit dem dunklen Lo­ckenschopf. Schon als Schülerin bekam sie unter der Intendanz von Peter Eschberg ihre erste kleine Rolle am Schauspiel Bonn. In der Saison 1988/89 verkörperte sie das Bauernmädchen in Strindbergs Fräulein Julie (Regie: Dieter Munck) in den Kammerspielen. „Die Mutter einer Schulkameradin war Maskenbildnerin und hatte mir gesagt, dass da jemand gesucht wurde. So kam ich an mein erstes Engagement – richtig mit Vertrag und fester Gage.“ Inzwischen hat Maren längst auch die Titelrolle in Fräulein Julie gespielt.
Nach dem Abitur ging Maren ans Euro Theater Central und machte vom Einlass bis zur Technik alles. „Bei Gisela Pflugradts Inszenierung von Eine Frau – Camille Claudel 1990 habe ich mich endgültig ins Theater verliebt. 1991 durfte ich dann die Regieassistenz bei Giselas Inszenierung von Dacia Marainis Maria Stuarda übernehmen. Ein Stück Heimat ist das Euro Theater für mich immer geblieben. Viele ‚Pathologen’ arbeiten ja auch dort.“
Als Gast wirkte Maren in der Spielzeit 1993/94 unter der Intendanz von Manfred Beilharz mit in Marathontanz und in Anastasia und ich (beides inszeniert von der finnischen Regisseurin Katharina Lahti) und war 2004/05 unter der Intendanz von Klaus Weise die stumme nackte Erscheinung in Pirandellos Der Mensch, das Tier und die Tugend. – „Letzteres war eigentlich nur eine Statistenrolle, aber ich wollte unbedingt mal mit dem Regisseur David Mouchtar-Samorai arbeiten.“
Am Kölner Freien Werkstatt Theater waren Maren und Reinar in den 90er Jahren regelmäßig tätig. Maren nahm Sprechunterricht, absolvierte diverse Körpertrainings und holte sich den letzten Schliff bei der Schauspielerin Christiane Bruhn, die mehrfach große Rollen am Theater Bonn spielte und in etlichen Produktionen des Kölner freien a.tonal.theaters mitwirkte.
Seit über zehn Jahren spielt Maren in fast allen freien Kölner Theatern und ist in Theaterstücken und Chanson-Abenden so ziemlich überall in der Republik aufgetreten. Sehr erfolgreich war z.B. ihre Hommage an die französische Sängerin Barbara. Schnitzlers Fräulein Else spielte sie im Kölner artheater, Schnitzlers Traumnovelle kam in der „Pathologie“ heraus und ist jetzt im Kölner Horizont Theater zu sehen. Regie bei beidem führte Reinar Ortmann, ebenso wie bei Dürrenmatts Physikern (bisher über 370 Vorstellungen!) und dem Besuch der alten Dame. An der Seite von Helga Bakowski in der Titelrolle hat sie am Tag vor unserem Treffen dieses beliebte Stück gleich zweimal im Horizont gespielt. Die bekannte Schauspielerin Helga Bakowski gehört seit 2001 zum Pathologenzirkel. Nach Widersacherinnen spielen Maren und Helga jetzt den messerscharfen Dialog Contractions/Nachwehen (Regie: Ulrich Harz) in der Pathologie. Zum ersten Mal selbst dort Regie geführt hat Maren zu Beginn ihrer Intendanz bei Das geheime Tagebuch der Carla Bruni mit der Französin Aurélie Thépaut.
Zu den großen Erfolgen des Theaters gehört auch Antilopen von Henning Mankell. Das Stück spielt in Afrika. Dass Maren im Sommer 2009 für dreieinhalb Wochen in den Senegal reiste, hat aber damit nur mittelbar zu tun. Gottfried Ahrendt gehört zu den Fans des Theaters und betreut regelmäßig ehrenamtlich soziale Projekte in Afrika. Mit ihm hat sie sich in der kleinen Stadt Nmbour, ca. 100 km von Dakar entfernt, um die Ausbildung von Mädchen und jungen Frauen gekümmert, Familien und Schulen besucht.
In Köln arbeitet sie außerdem im Ensemble Nikopoulos und neuerdings auch im jüdischen Theater „Michoels“. Gerade bereitet sie einen Abend zum 100. Geburtstag der israelischen Schriftstellerin Leah Goldberg vor, die an der Bonner Universität promoviert wurde. Das Theater ist für sie ein Ort für Spurensuchen und Spiegelbilder: „Ich möchte zeigen, wie wir uns als politische und gesellschaftliche Wesen miteinander verhalten. Wir erzählen auf der Bühne Geschichten, mit denen wir Reaktionen erzeugen wollen. In unserem Theater mit der großen Nähe zum Publikum spüren wir besonders deutlich, wenn die Leute was damit anfangen können.“
Ein kleines hochintelligentes Nagetier namens Chosen One gehört übrigens auch noch zum „Pathologie“-Team, ist allerdings unermüdlich in Afrika unterwegs. Das Theater hat eine Patenschaft übernommen für ein Projekt, das mit wenig Geld viele Menschenleben rettet: Die Ratten, die in Mozambique zum Aufspüren von Landminen eingesetzt werden. Sie sind leicht und schnell genug, um die versteckten Mordwaffen nicht zur Explosion zu bringen, und lernen spielerisch, den Menschen zu zeigen, wo Gefahr lauert. „Man braucht einfach gute Ideen und viel utopischen Realitätssinn zum Überleben“, konstatiert Maren, die schon wieder auf dem Sprung ist zu den Endproben für das neue Stück Hilda (s. Kritik S. 7) der französischen Autorin Marie NDiaye, deren Vater aus dem Senegal stammt.

Dienstag, 25.02.2014

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