Ludwig Geiger und Mugurel Markos - kultur 89 - Oktober 2012

Vorstand des Beethoven Orchesters Bonn

Ludwig („wie Beethoven“) heißt mit Nachnamen Geiger, spielt Trompete, ist Österreicher und seit 2010 Sprecher des Beethoven Or­ches­­ters Bonn, seit ein paar Jahren kurz als BOB firmierend. Mugurel Markos ist Vorspieler bei den Ersten Violinen, eine Position zwischen Stimmführern und Tutti-Streichern. Mel, wie ihn seine Kollegen nennen, stammt aus Rumänien und gehört zum fünfköpfigen Vorstand des Orchesters, in dem Musikerinnen und Musiker aus mehr als 20 Nationen versammelt sind. „Unsere Arbeitssprachen sind Deutsch oder Englisch; letzteres vor allem, wenn wir mit ausländischen Gastdirigenten arbeiten. Am wichtigsten für uns ist die Plastizität der Zeichensprache.“
Die Hauptarbeit besteht im Einstudieren, sagen beide übereinstimmend. Also den eigenen Part lernen, ständig üben und begreifen, wie was warum klingen kann. Wie es klingen soll, ist dann jedes Mal ein neuer Gestaltungsprozess mit dem gesamten Orchester und der musikalischen Leitung. „Das Einstudieren muss sehr exakt sein, weil man selbst bei den Aufführungen gar nicht alles hören und sehen kann. Die vorne sitzenden Streicher haben einen direkteren Kontakt zum Dirigenten. Die traditionell weiter hinten platzierten Bläser brauchen eine sekundengenaue Vorarbeit und eindeutige Signale“, erklärt Ludwig. „Im niedrigen Orches­tergraben der Bonner Oper, der oft auch noch durch Bühnenapparaturen beengt wird, kommt man sich als Blechbläser manchmal fast blind und taub vor. Es passiert jedoch extrem selten, dass irgendwas schief geht.“
Ludwig Geiger weiß, wovon er redet, denn er ist seit 1978 Mitglied des Bonner Orchesters. Geboren wurde er 1956 als Sohn einer Bauernfamilie in der Nähe von Innsbruck: „Wie im Dorf üblich – Ministrant, Fußballverein, Blaskapelle. In die Trompete habe ich mich dann so verliebt, dass ich unbedingt weiter lernen wollte. Das Spielen dieses Instruments zum Beruf zu machen, fand mein Vater ziemlich abwegig. Nachdem ich die Aufnahmeprüfung an der Münchner Musikhochschule bestanden hatte und meine Großmutter die Finanzierung eines Zimmers in der bayerischen Hauptstadt übernahm, lief aber alles glatt. Ich wollte nach dem Examen unbedingt in ein hochprofessionelles Orchester, das die großen sinfonischen Werke spielte, die mich faszinierten. Weil ich von meinen Münchner Lehrern beste Referenzen hatte, klappte es in Bonn auf Anhieb, obwohl Ausländer damals noch beim Vorspielen nur zweite Wahl waren. Heute stellen sich bei jedem renommierten Orchester alle Bewerber beim ersten Durchgang hinter einem Vorhang vor. Geschlecht, Alter und Herkunft sind egal, allein die Qualität zählt. Ich habe es aber nie bereut, dass ich jetzt weit mehr als die Hälfte meines Lebens in dieser liebenswürdigen Stadt am Rhein verbracht habe. Auch meine Frau fühlt sich hier sehr wohl.“ Ludwig hat in seine Wohnung übrigens eine schalldichte Kabine eingebaut, um beim täglichen Üben niemandem mit seiner Trompete auf die Nerven zu gehen.

„Das Ding hat die Anmutung einer Folterzelle“, findet Mel, der als Geiger auf dem Wohnungsmarkt nicht gleich als Ruhestörer gilt. Mugurel Markos kam 1968 in der rumänischen Großstadt Ja?i (deutsch: Jassy oder ­his­torisch Jaßenmarkt) zur Welt. Der Vielvölkerort im Nordosten des Landes gilt als wichtige Kulturstadt Rumäniens. Mel erhielt schon als Kind intensiven Musikunterricht und besuchte dann wegen seiner besonderen Begabung das Musikgymnasium in seiner Heimatstadt. „Neben dem normalen Fachunterricht stand zusätzlich die musikalische Ausbildung. Für andere Aktivitäten blieb da wenig Zeit.“ Nach dem vierjährigen Studium an der „George Enescu“-Musikhochschule in Ja?i – während der akademischen Ausbildung spielte Mel schon in der dortigen Philharmonie – zog er 1990 nach Thüringen. „Ich wollte nach der sogenannten Wende einfach weg nach Westen.“ Acht Jahre arbeitete er als Konzertmeister in Nordhausen. „Als ich dort ankam, sprach ich so gut wie kein Deutsch und habe echt gepaukt, um die Sprache zu lernen. Mit einem seltsam illustrierten Lehrbuch von vor dem Zweiten Weltkrieg, das inzwischen Raritätswert hat.“ Worüber Mels in Deutschland aufgewachsener 21-jähriger Sohn sich gelegentlich amüsiert.
Eine Menge Lebenszeit und Energie hat jeder investiert, der den Sprung in ein exzellentes Orchester schafft. „Der Leistungsdruck ist gewiss nicht geringer als beim Profisport. Wer sich nicht körperlich und geistig fit hält, ist ganz schnell raus aus dem Geschäft. Zumal ein falscher Ton nicht nur eine persönliche Blamage ist, sondern eine Katastrophe für das ganze Ensemble. Natürlich kennen wir die populären Klischees von den quasi verbeamteten Orchestermusikern, die für ihre sichere Rente ein paar Stunden in der Woche fiedeln und blasen. Mit der Realität hat das nichts zu tun. Bei Berufsunfähigkeits-Versicherungen sind Orchestermusiker beispielsweise in der höchsten Risikoklasse eingestuft, Blechbläser werden gar nicht angenommen.“
Am Morgen vor unserem Gespräch haben die beiden Musiker geprobt für A Night at the Opera beim Theaterfest. Da sitzt das Orches­ter mal oben auf der Opernbühne und nicht im engen, ­stickigen Graben. „Die Bedingungen dort sind gewiss nicht ideal, könnten aber nur mit großem Bau-Aufwand verändert werden. Trotzdem lieben wir es, mit den Sängern und dem Chor zusammenzuarbeiten. Natürlich muss man Rücksicht nehmen, Stimmen sorgfältig begleiten und auf Vorgänge total konzentriert reagieren. Außerdem sind bei einer Opernaufführung naturgemäß auf und hinter der Bühne viel mehr Menschen am Werk als bei einem Konzert.“
Das BOB gehört zu den 28 A-Orchestern in Deutschland, also zu den großen Kulturorchestern mit über 100 Planstellen. Wie z.B. auch die Wiener Philharmoniker leistet es Dienste sowohl in der Oper als auch in Konzerten. Ganz abgesehen davon, dass es als kommunale Einrichtung nur in dieser Konstellation finanzierbar ist – auch künstlerisch ist dieser Einsatz wichtig. „Wir haben ein ausgeprägtes Feeling für Solisten. Vor einem Solokonzert hat unser damaliger GMD Marc Soustrot dem leicht nervösen Künstler mal gesagt: ‚Du musst dir überhaupt keine Sorgen machen. Das Orchester ist es von der Oper her gewohnt, sehr sensibel auf alles zu reagieren. Die spielen für dich, damit es für alle ein großartiger Abend wird.’ Genau das wollen wir immer“, sagt Mel. „Eine Oper ist deshalb auch nach der zehnten Vorstellung für uns nie bloße Routine. Konzerte haben ihre spezielle Dramaturgie, die man aber mit ständiger Opernerfahrung ein bisschen anders umsetzen kann.“
Die bundesweiten Auszeichnungen für CD-Einspielungen, mit denen das BOB in der letzten Zeit glänzte, gewann es zusammen mit der Oper. Der Golem (ECHO-Klassik-Preis) und Irrelohe (Preis der deutschen Schallplattenkritik) waren herausragende musikalische Bühnenereignisse. Ebenso wie die Kinder- und Jugend-CD Komm, wir fahren nach Amerika! (ECHO-Klassik-Preis), die die gemeinsame hervorragende Education-Arbeit beweist. Eigentlich wär’s ganz schön, wenn das BOB regelmäßig mit einem Stand im Opernfoyer präsent wäre und bei Konzerten in der Beethovenhalle das Theater Bonn. „Es ist ja gerade wichtig, dass wir eine Gemeinschaft sind – übrigens nicht nur mit den Sängern, sondern ebenso mit den Schauspielern und allen anderen Kollegen vom Theater. Es ist fataler Unsinn, fruchtbare künstlerische Zusammenarbeit durch künstlich konstruierte Konkurrenz um geringer werdende finanzielle Mittel zu konterkarieren.“
Finden beide, bevor sie zur Eröffnung einer Ausstellung im Beethovenhaus zu Schönbergs Beethoven-Beziehungen sausen. Und sich freuen auf das Hindemith-Triptychon in der Oper und Schönbergs Gurre-Lieder in der Beethovenhalle. Beides im Rahmen des „eigensinnigen“ Beethovenfestes 2012. „Diese Musik ist ein gewaltiges Stimmungsfeuerwerk, zumal unser GMD Stefan Blunier uns mit seinen Kenntnissen, seinem fabelhaften Humor und seiner musikalischen Präzision so angesteckt hat für die Klangsprache des 20.Jahrhunderts, dass jede Probe mit ihm schon eine Klasse für sich ist.“

Donnerstag, 17.01.2013

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