Konstantin Lindhorst - kultur 67 - Juni 2010

Elisabeth Einecke-Klövekorn trifft Konstantin Lindhorst: Parzival, Rabenkind und der junge Soldat Lorenz

Sir Ither mit der roten Rüs­tung, die der junge Parzival unbedingt haben will, war seine erste Theaterrolle als Student an der Stuttgarter Schauspielschule. Seine heutige Bonner Kollegin und damalige Kommilitonin Maria Munkert spielte damals übrigens die Königin Ginevra in Tankred Dorsts Merlin. Die Inszenierung von Titus Georgi, der in Bonn 2004 Regie führte bei dem Familienstück Pettersson und Findus, wurde zum Schauspielschultreffen in München eingeladen und als beste Ensembleleistung ausgezeichnet. Jetzt probt Konstantin Lindhorst in der Regie von David Mouchtar-Samorai wieder an Dorsts großem Welt­entwurfs-Drama (Premiere in den Kammerspielen am 28.Mai) und wird im Merlin u. a. den Parzival verkörpern. „Diesmal bin ich also der schuldlos schuldige Täter und nicht das Opfer“, sagt er lächelnd. „Es ist meine erste Arbeit mit David, und die Proben laufen sehr schön. Ich bin selbst noch sehr gespannt auf das Ergebnis.“
Konstantin Lindhorst wurde im September 1981 in Berlin geboren. Die Familie zog mit ihren fünf Kindern bald nach Sylt um: „Die Insel war damals noch etwas beschaulicher und nicht ganz so teuer wie heute.“ Die Theaterleidenschaft erbte nicht nur Konstantin von seinem Vater, der viele Bühnenberufe ausübte, als Autor, Regisseur und Schauspieler eine freie Kindertheatergruppe leitete und eine Zeit lang am Kabarett „Die Wühlmäuse“ engagiert war. Konstantins älterer Bruder Peter arbeitet als Schauspieler in Wilhelmshaven, sein jüngerer Bruder Dominik ist in Osnabrück engagiert.
1998 verbrachte Konstantin ein Schuljahr in Australien und ist immer noch begeistert von dem „Drama“-Kurs, der dort zum normalen Lehrplan gehörte. „Die Wahl zwischen Sport und Theater fiel mir damals zwar noch schwer, aber die Aufführung mit der Schultheatergruppe an meinem College hat Riesenspaß gemacht und nebenbei mein Englisch verbessert. Auf Sylt haben wir auch Schultheater gemacht: An dem Musical The Rocky Horror Show haben wir anderthalb Jahre geprobt und waren sehr stolz auf unseren Erfolg.“
Nach dem Abitur in Westerland folgte 2003 der Zivildienst auf Burg Waldeck im Hunsrück. Währenddessen reifte seine Entscheidung fürs Theater als Beruf. Mit den üblichen vielen Vorsprechen, bis es 2005 an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Stuttgart klappte. „Mein Geld verdiente ich mir mit verschiedenen Jobs, z.B. als Eisverkäufer im Sylter Meerkabarett, was sich gut eignet, um Menschen und ihre Verhaltensweisen kennen zu lernen…“
Erste professionelle Schauspiel-Erfahrungen sammelte er in den Aufführungen der Stuttgarter Hochschulbühne „Wilhelmstheater“. Die Abschlussarbeit 2008 war Büchners Woyzeck am Staatstheater Stuttgart. Konstantin spielte den Hauptmann und den Narren. Noch vor dem Examen war er mit Studienfreunden nach Bonn gereist – um Maria Munkert bei der Premiere von Shakespeares Sturm zu sehen. 2008 wurde er dann selbst hier engagiert. In Klaus Weises Tasmanien war er (zusammen mit den damaligen Bonner ‚Ensemble-Küken’ Franziska Hartmann und Oliver Chomik) eins der im Polit-Labyrinth verirrten Kellerkinder und ein blauer Vogel auf dem Dach. Die Herzen des großen und kleinen Publikums eroberten die drei Neulinge sich in Astrid Lindgrens Kalle Blomquist, der erfolgreichsten Kammerspiel-Produktion der Saison 2008/09. Konstantin spielte sehr komisch Kalles Freund Anders, der nicht jedem Gedankengang des Meisterdetektivs folgt, aber immer zur rechten Zeit zur Stelle ist. „Mir hat die ehrliche Freundlichkeit der Inszenierung von Thomas Goritzki total gut gefallen. Die Aufführung war auf eine sympathische Weise zeitlos, mit einer witzig verspielten Selbstironie ohne alle Anbiederung.“ Konstantin hatte damals allerdings nur einen Vertrag für die beiden Stücke und war ganz froh, dass er 2009 in Osnabrück eine kleine Rolle in Tschechows Kirschgarten (sein Bruder spielte den jungen Hauslehrer Trofimow) bekam und am Stadttheater Gießen in Dea Lohers viel beachtetem Stück Das letzte Feuer (Regie: Titus Georgi) gastieren konnte. Als Terrorist Olaf und als Hund. „Irgendwie scheine ich gerade die Tierrollen gepachtet zu haben. In Fritz Katers Heaven (zu tristan) schwirre ich als Rabe herum.“ In Jan Stephan Schmiedings Inszenierung ist er Simones kleiner Bruder Micha, der sich in ein utopisches Mittelalter flüchtet, einer von Odins hellsichtigen schwarzen Vögeln sein möchte und von Rechtsradikalen umgebracht wird. Für alle, die’s in der Werkstatt noch sehen möchten: Die letzte Aufführung ist am 10.Juni. Unter der Leitung von Schmieding, der die nächste Schauspielsaison in der Halle Beuel mit Sophokles’ Antigone eröffnen wird, hat er in der neuen Werkstatt-„Nachtwerk“-Reihe auch an der szenischen Lesung von Roland Schimmelpfennigs neuem Stück Der goldene Drache mitgewirkt, einer skurrilen Collage aus der globalisierten Asian-Fast-Food-Welt.
Seit dieser Spielzeit ist Konstantin festes Ensemble-Mitglied am Bonner Schauspiel. Sehr gefallen hat ihm die von Jennifer Whigham inszenierte Bennbar, in der er als jüngster Mitspieler die poetische Weltsicht des Dichters Gottfried Benn erkundete. „Das war eine tolle Textarbeit, bei der ich tief in ein künstliches Sprachuniversum und eine heik­le Form von Künstlertum und dessen politischer Problematik eingetaucht bin. Natürlich kannte ich einige Gedichte, aber die Hintergründe waren aufregend.“
Konstantins bisher größte Rolle – zumindest, was die Textmenge betrifft – ist das Haus des Friedens von Lothar Kittstein, das Stephan Heiseke in der Werkstatt inszeniert hat. „Der Soldat Lorenz mit seinen Ängs­ten und seinem hilflosen Mut ist eine außerordentlich spannende Figur.“ Die ohrenbetäubende Stille eines Krieges, den die Welt nicht wahrhaben will, verkörpert er hier sehr eindringlich.
Richtig gut gefallen hat ihm auch die Arbeit an dem Dokustück Zwei Welten (Regie: Frank Heuel) von Ingrid Müller-Münch. Diese Auseinandersetzung mit jugendlichen Migranten und dem Umgang mit sozialen Veränderungen war sehr wichtig. Natürlich freut er sich, dass gerade dieses Stück zum diesjährigen NRW-Theatertreffen in Düsseldorf eingeladen wurde. „Man muss die gesellschaftlichen Entwicklungen zur Dis­kussion stellen und nicht nur drum herum reden.“
In Bewegung bleiben, ist Konstantins Motto. „Klar, nach körperlich weniger anstrengenden Proben möchte ich manchmal noch eine Akrobatikstunde einlegen, laufen, springen, klettern. Irgendwie das Gedachte physisch abarbeiten, bevor ich dann todmüde umfalle.“ Hellwach hält ihn dennoch schon der Tempelherr in Lessings Nathan der Weise. Die Werkstatt-Produktion in der nächsten Spielzeit wird ihm seine erste große Klassiker-Rolle in Bonn bescheren. „Das Stück wurde ungefähr 200 Jahre vor meiner Geburt geschrieben und ist immer noch brandaktuell. Ich bin sehr neugierig darauf, wie wir es erzählen werden.“

Dienstag, 25.02.2014

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