Ilona Schmiel - kultur Nr. 13 - 1/2005

Elisabeth Einecke-Klövekorn trifft Ilona Schmiel - Intendantin des Beethovenfestes Bonn

In dem schönen Altbau an der Poppelsdorfer Allee, im Herzen Bonns und nur ein paar Schritte von den Bahngleisen entfernt, herrscht auch nach dem Abschluss des Beethovenfestes rege Betriebsamkeit. Klar: Nach dem Fest ist vor dem Fest und bedeutet für die Intendantin Ilona Schmiel erst mal eine Menge Reisen, um Künstler zu besuchen, Konzerte anzuhören, Programme abzusprechen. Sehr viel Organisatorisches ist zu erledigen: Gestern war sie noch bei der Werbeagentur des Beethovenfestes in München, heute Nachmittag muss sie zu einer Kuratoriumssitzung nach Köln. „Die Nähe unseres Büros zum Bonner Hauptbahnhof hat echte Vorteile", sagt sie fröhlich. Jung, mit langen dunkelblonden Haaren, sehr energisch im Auftreten und immer druckreif formulierend, steht sie auch für die neue dynamische Weiblichkeit in der Bonner Kulturszene, in der hoch qualifizierte Frauen ja inzwischen zahlreiche Führungspositionen besetzt haben und längst keine Quotenregelungen mehr brauchen, um ihr Können unter Beweis zu stellen.
Weit über 100 Veranstaltungen umfasste das Programm des Beethovenfestes 2004 vom 17. September bis zum 10. Oktober - das erste unter der Leitung Ilona Schmiels. Insgesamt standen ca. 37.500 Karten zur Verfügung, die Auslastung lag bei 88 %. „Dass wir auf Anhieb einen solchen Erfolg erreicht haben, obwohl wir auch einige künstlerische Risiken eingegangen sind, hat mich selbst überrascht. Aber mein Vorgänger Professor Franz Willnauer hat den Boden dafür hervorragend vorbereitet und an der Verankerung des Festivals im Bewusstsein der regionalen und internationalen Musikfreunde mit großem Engagement gearbeitet. Auf diesem Fundament und seinen Erfahrungen konnten wir mit behutsamen konzeptionellen Veränderungen aufbauen."
Wie man so was anpackt, hat das 1967 in Hannover geborene Multitalent von der Pike auf gelernt. An diversen Hochschulen in Berlin hat sie Gesang, Schulmusik und Altphilologie studiert und das 1. Staatsexamen abgelegt. Ihre dort begonnene Ausbildung in Kultur- und Medienmanagement hat sie dann in Norwegen vertieft, bei den Donaueschinger Musiktagen assistiert und viele Kontakte geknüpft. 1993/94 hat sie beim olympischen Kulturfestival Lillehammer und Oslo mitgearbeitet. Dann ging es in den Süden: Sie betreute als Projektleiterin einer Konzertagentur die weltweiten Operntourneen der "Arena di Verona". Seit 1996 ist sie zudem Gastdozentin im Studiengang "Kultur- und Medienmanagement" an der Hochschule für Musik "Hanns Eisler" in Berlin. Von 1998 bis 2002 war sie künstlerische Leiterin und Geschäftsführerin der Glocke Veranstaltungs-GmbH in Bremen und machte mit originellen Ideen die Musikwelt hellhörig auf das Bremer Musikfest. Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen, die in diesem Jahr unter Heinrich Schiff brillierte, wird auch 2005 wieder in Bonn sein und unter ihrem neuen Chef Paavo Järvi (Sohn des estnischen Dirigenten Neeme Järvi) bis 2007 Orchestra in Residence des Beethovenfestes bleiben.
Mit dem Schwerpunkt auf der Musiklandschaft im böhmisch-mährischen Kulturraum, der auch in Beethovens Biographie eine große Rolle spielt - dass der junge Komponist von Bonn nach Wien übersiedelte, lag nicht zuletzt an seinem Förderer, dem böhmischen Grafen Waldstein - stellte das diesjährige Beethovenfest einen bestimmten Kontext zur Diskussion. Auch über die direkten historischen Bezüge hinaus mit Ausblicken ins 20. Jahrhundert und neuen musikalischen Diskursen. „Solche Fokussierungen sind notwendig, um ein Profil im internationalen Musikleben zu gewinnen. In diesem Jahr hatten wir natürlich mit Antonin Dvoráks 100. Todestag und Leoš Janáceks 150. Geburtstag zwei besondere Anknüpfungspunkte, die gleichzeitig auch den Blick auf das erweiterte Europa und die historisch-politischen Verschiebungen seiner kulturellen Zentren lenkten. Ich denke, dass sich da neue Erkenntnisse vermittelt haben; wir werden dieses Konzept sicher weiter verfolgen."
Ilona Schmiel setzt gern intellektuell etwas in Bewegung. Deshalb ist sie auch keineswegs unglücklich über die Verrisse, die es bei der gemeinsamen Produktion mit der Oper Bonn hagelte: „Tomaz Pandurs Inszenierung von Janáceks selten gespielter Oper ‚Aus einem Totenhaus' hat polarisiert. Jeder sollte sich selbst ein Urteil bilden. Die außerordentliche musikalische Qualität dieser Aufführung ist ohnehin völlig unumstritten und kam auch bei der Übertragung im WDR 3 am 31. Oktober hervorragend zur Geltung. Im Übrigen freue ich mich, dass dieses wichtige Werk in dieser Saison auch in Genf und Berlin auf dem Spielplan steht und somit die Möglichkeit zum Vergleich der Interpretationen besteht."
Fast die Hälfte der 55 Konzerte im Hauptprogramm des Festivals wurde von Rundfunksendern (WDR, Deutsche Welle und Deutschland-Radio/Deutschlandfunk) aufgezeichnet und trug die Botschaft des Beethovenfestes von Bonn in alle Welt. Dass das Beethovenfest Bonn 2004 das "International" aus seinem Namen gestrichen hat, ist also kein Rückzug vom Anspruch, sondern eher Zeichen seines Selbstbewusstseins, das mit grenzüberschreitender Resonanz sowieso rechnen darf. Aber auch die Einbindung in hiesige Kontexte gehört unabdingbar zu den Aufgaben. „Wir haben etablierte Orte, aber auch neue Partner in Bonn und der Region gesucht. Die Filmreihe in der Kinemathek der Beueler Brotfabrik ist ein Beispiel, die Jazz-Konzerte in der Endenicher Harmonie haben für uns und die ‚Macher' dort ganz neue Publikumsschichten erschlossen, die literarischen Veranstaltungen mit dem Haus der Sprache und Literatur haben Horizonte zwischen Sprache, Politik und Musik eröffnet, die wunderschöne Ausstellung mit Bildern von František Kupka im Kunstmuseum setzte sinnlich farbige Akzente zu unserem Thema. Man muss bei einem großen Festival aber nicht krampfhaft alles unter ein Thema zwingen. Unser Dach muss auch Platz bieten für Experimente wie das Achim-Freyer-Projekt von ‚Bonn Chance' in der Bundeskunsthalle - Beethoven war schließlich selbst ein Experimentator und weit über seine Zeit hinausweisender Impulsgeber."
Zu ihren persönlichen Highlights gehörten die "Nacht der Klaviere" und das Campus-Konzert mit jungen Musikern aus Peking (beide auch in den Abonnements der Theatergemeinde BONN). Im nächsten Jahr wird der junge aus Venezuela stammende Nachwuchsdirigent Gustavo Dudamel, der beim Abschlusskonzert brillant für den erkrankten Frans Brüggen einsprang, wieder zu Gast sein und das nationale Jugendorchester seines Heimatlandes vorstellen.
Das nächste Beethovenfest findet wegen der früheren Sommerferien bereits vom 8. September bis zum 2. Oktober statt. Das genaue Programm erscheint im März. Wir werden dann auch wieder attraktive Angebote für die Theatergemeinde Bonn zusammenstellen. „Die Theatergemeinde war 2004 in der Region unser größter einzelner Kartenvermittler. Und ich freue mich natürlich, wenn viele besonders interessierte Menschen über solche Abonnementsreihen in mehrere Konzerte gehen und die Vielfalt unseres Programms wahrnehmen." Sagt die Intendantin noch schnell, bevor sie zum Bahnhof saust.

Dienstag, 25.02.2014

Zurück

Merkliste

Veranstaltung

Momentan befinden sich keine Einträge in Ihrer Merkliste.


Letzte Aktualisierung: 18.04.2024 21:01 Uhr     © 2024 Theatergemeinde BONN | Bonner Talweg 10 | 53113 Bonn