Daniela Denschlag - kultur 54 - 2/2009

Elisabeth Einecke-Klövekorn trifft Helge Tramsen - Nick, Jim und Cavaradossi

Von ihrem neuen Domizil in Plittersdorf fährt Daniela Denschlag am liebsten mit dem Fahrrad am Rhein entlang zur Oper. „Ich genieße das; ein Auto haben wir gar nicht“, erklärt sie beim Tee in dem gemütlichen Wohnzimmer des alten Hauses, in das sie vor einigen Monaten mit ihrer Familie eingezogen ist. „Es ist alles noch ein bisschen provisorisch, aber die Kinder fühlen sich hier schon sehr wohl.“ David (*2003) und Nicolas (*2007) nutzen gerade den sonnig-frostigen Samstagnachmittag Anfang Januar zu einem Spaziergang mit ihrem Papa, dem Pianisten Christopher Espenschied.
Sechs Jahre lang war Daniela Denschlag an der Wiener Staatsoper engagiert, bevor sie zu Beginn dieser Spielzeit ins Ensemble der Oper Bonn wechselte. Als zwielichtige Wahrsagerin Ulrica stellte sie sich dem Bonner Publikum in Verdis Maskenball vor, begeisterte kurz danach als eifersüchtige Fürstin von Bouillon in der konzertanten Aufführung von Francesco Cileas Adriana Lecouvreur und übernahm zu Beginn dieser Spielzeit auch die Partie der alten Gräfin in Tschaikowskys Pique Dame. „Als tiefer dramatischer Mezzosopran fängt man meistens schon alt an“, sagt Daniela Denschlag und lacht: „Die klassischen Rollen in diesem Stimmfach sind entweder Mütter und Dienerinnen oder böse Weiber. Was einen entscheidenden Vorteil hat: Das eigene Alter ist nicht so wichtig.“
Daniela Denschlag wurde 1970 in Worms geboren. Während ihrer Schulzeit sang sie in mehreren Chören, dachte aber nicht mal im Traum daran, das Singen zu ihrem Beruf zu machen. Nach dem Abitur studierte sie in Kaiserslautern Biologie und bildete ihre Stimme eher zum privaten Vergnügen an der Mannheimer Musikschule fort. Fast gleichzeitig mit der Aufnahmeprüfung an der Mannheimer Musikhochschule bestand sie ihr naturwissenschaftliches Vordiplom. Acht Semester Musikstudium mit dem Schwerpunkt Gesang folgten, insbesondere bei Rudolf Piernay, der ihre stimmliche Entwicklung entscheidend prägte. „Es war gleichzeitig eine Gesangslehrerausbildung. Man weiß ja nie, wie die eigene Stimme sich entwickelt und ob man damit wirklich auf der Bühne reüssiert. Dazu gehört neben Talent eine Menge Glück, deshalb ist eine solide Berufsperspektive wichtig.“
Parallel zu ihrem Fachstudium erwarb sie im Aufbaustudiengang Oper ihr musikdramatisches Handwerkszeug. Nach dem Examen wurde sie sofort ins Ensemble des Nationaltheaters Mannheim übernommen und debütierte dort 1999 als Erda und Erste Norn in einer Neuinszenierung von Wagners Ring des Nibelungen. Drei Jahre lang blieb sie in Mannheim und erarbeitete sich ein großes Repertoire. Die Rheintöchter Wellgunde und Flosshilde und die Walküren Waltraute und Schwertleite gehörten ebenso dazu wie die Suzuki in Puccinis Madama Butterfly. Sie sang zuerst das Sandmännchen und dann den Hänsel in Humper­dincks Märchenoper, aber sehr gerne auch Rollen im heiteren Fach wie die Czipra im Zigeunerbaron und die Bettlerin in dem Musical Sweeny Todd. Zu ihren wenigen Mozartrollen gehörten der Ramiro in La Finta Giardinera und später auch die Marcellina im Figaro. „Direkt parallel kann man Mozart und Wagner oder Strauss kaum singen. In Hamburg habe ich letzten Herbst als Marcellina gastiert, aber ohne Arie. Das zieht die Stimme einfach zu weit weg.“
Ab 2000 führten Gastspiele die junge Sängerin u. a. als Schwertleite in der Walküre nach Köln und als Principessa in Adriana Lecouvreur nach Bremen. „Die Partie habe ich extra für diese szenische Aufführung in wenigen Wochen gelernt. Man merkt sehr schnell, ob einem etwas in der Stimme liegt.“ Besonders begeistert erzählt sie von ihrem fast fünfmonatigen Aufenthalt in Lyon, wo sie eine der Elfen in Dvo?áks Rusalka und die Dryade in Strauss’ Ariadne auf Naxos verkörperte. Mit der Lyoner „Ariadne“-Produktion war sie auch zwei Wochen lang in Paris am Théâtre du Châtelet zu erleben und später in Philadelphia.
Vor der Reise in die USA hatte sie bereits ihren Vertrag mit der Wiener Staatsoper unterschrieben. Dort sang sie viele kleinere und größere Rollen. Zu den Nornen, Walküren, Rheintöchtern und der Erda kam die Fricka hinzu. Außerdem stand sie als Brangäne in Tristan und Isolde auf der Bühne. Sie sang u. a. die Gräfin Geschwitz in Alban Bergs Lulu, die Mrs. Quickly in Verdis Falstaff und etliche Strauss-Partien, die Adelaide in Arabella sogar sehr erfolgreich bei der Premiere. In der letzten Spielzeit debütierte sie als Herodias in Salome. Bei Elektra übernahm sie verschiedene Mägde und die Schleppträgerin und freut sich jetzt sehr auf ihre Klytämnestra in Bonn: „Es ist schon ein besonderes Gefühl, diese Rolle genau 100 Jahre nach der Uraufführung zu interpretieren. Die konzentrierten Proben mit Stephan Blunier gefallen mir sehr.“
Den neuen Bonner Generalmusikdirektor hat sie schon als Kapellmeis­ter in Mannheim kennengelernt und in Darmstadt unter seinem Dirigat als Solistin bei Mahlers 2. Sinfonie mitgewirkt. Mit dem Bonner Generalintendanten Klaus Weise arbeitet sie zum ersten Mal: „Bei den Proben ist er nur Regisseur und nicht Chef. Es ist toll, gemeinsam künstlerisch etwas zu reflektieren.“ Rollen in einem längeren Probenprozess für sich entwickeln und ernsthaft an Inszenierungen mitwirken zu können, war nämlich der Hauptgrund für ihren Wechsel von der Donau an den Rhein. „In einem riesigen Betrieb wie der Wiener Staatsoper lernt man wahnsinnig viel. Bei dem großen Repertoire muss man immer damit rechnen, dass man kurzfristig irgendwo einspringen muss. Es war gut, dass ich zu Beginn meines Engagements viele Stücke schon kannte. Allerdings werden die Premieren in der Regel mit internationalen Stars besetzt, so dass man als Ensemblemitglied meistens nur als Zweitbesetzung zum Zuge kommt oder manchmal als Cover eine Partie einstudiert und damit am Ende nur einmal oder gar nicht auftritt. Man kommt dann an einen Punkt, wo man die eigene Persönlichkeit stärker künstlerisch einbringen möchte. Ein renommiertes, mittelgroßes Haus war mein Wunschziel. Dennoch habe ich mich in Wien sehr wohl gefühlt, zumal es überhaupt keine Probleme gab, als ich wegen der Schwangerschaften pausieren musste.“
Kurz nach der Geburt von David begannen die Proben für die Salzburger Festspiele, wo Denschlag 2004 als Brigitta in Korngolds Toter Stadt (Regie: Willy Decker) debütierte. In den folgenden Jahren gastierte sie an vielen großen Häusern. An der Deutschen Oper Berlin sang sie unter Christian Thielemann die Gaea in Strauss’ Daphne. Im neuen „Ring“ am Pariser Châtelet (Regie: Robert Wilson) wirkte sie in mehreren Rollen mit; weitere Stationen waren u. a. die Dresdner Semperoper, die Bayerische Staatsoper München und die Straßburger Opéra National du Rhin. Als Konzertsängerin trat sie vor allem mit Mahlers Lied von der Erde und als Solistin in seinen Sinfonien auf, u. a. in Berlin, Wien, bei den Salzburger Festspielen und im Großen Festspielhaus Baden-Baden. Am vierten Advent 2008 hat sie in Gütersloh die Altpartie in Bachs Weihnachtsoratorium gesungen. „Für solche Projekte habe ich jetzt mehr Zeit und kann über den Routine-Stress hinausdenken.“
Im kommenden Frühjahr steht wieder Wagner auf ihrem Programm. Voraussichtlich wird sie unter Zubin Mehta in Florenz die Erste Norn in der Götterdämmerung singen und danach unter demselben Dirigenten in Valencia auch die Erda im kompletten „Ring“. Die Venus im Tannhäuser studiert sie derweil zu Hause, wo ein Flügel eins der Zimmer beherrscht. „Natürlich arbeite ich dort regelmäßig, aber es muss trotzdem Zeit bleiben für die Familie. Die Kinder sollen ganz normal draußen spielen und nicht nur in Probenräumen rumhocken.“
Was Daniela Denschlag überhaupt nicht gefällt, ist Rampensingen. „In Wilsons ‚Ring’ gab es immer nur eine starre Haltung: mit dem Körper schräg zum Publikum und dem Gesicht nach vorn. Bewegung kann auch helfen, Spannungen abzubauen. Was dem Publikum möglicherweise als Regie-Zumutung für die Sänger erscheint, ist auf der Bühne oft ganz nützlich. Wichtig ist die in sich stimmige Charakterisierung von Personen und ihre sängerfreundliche

Donnerstag, 08.12.2011

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