Anna Virovlansky - kultur 32 - Dezember 2006

Elisabeth Einecke-Klövekorn trifft Anna Virovlansky - Zerlina, Sophie, Susanna und ein Engel

In der Kritikerumfrage der Zeitschrift Opernwelt bekam sie gerade eine Nennung als beste Nachwuchskünstlerin. Vor einigen Monaten wurde sie bereits mit dem Förderpreis des Landes Nordrhein-Westfalen für junge Künstlerinnen und Künstler ausgezeichnet. Der Verein der Bonner Opernfreunde hat sie zu seiner diesjährigen Preisträgerin gekürt. Für ihr Konzert zu diesem Anlass am 26. Februar 2007 denkt Anna Virovlansky schon intensiv über ein Lieder-Programm nach. Sie selbst hat sich diesen späten Termin im nächsten Jahr gewünscht, weil ihr im Januar noch eine große Herausforderung bevorsteht: die Susanna in Mozarts Le Nozze di Figaro in einer Inszenierung des Generalintendanten Klaus Weise, auf die sich jetzt schon freut. Die musikalischen Proben dafür haben gerade begonnen.
Mit zwei großen Mozartrollen war die junge Sopranistin gleich in ihrer ersten Spielzeit im Bonner Opernhaus zu erleben, als schelmisches, zupackendes Bauernmädchen Zerlina in Weises Don Giovanni-Inszenierung, die im Dezember wieder aufgenommen wird, und als Pamina in der Zauberflöte, die in der Regie und Ausstattung von Jürgen Rose seit zehn Jahren das Bonner Publikum begeistert und ab November wieder auf dem Spielplan steht. Als diese Aufführung ihre Premiere feierte, ging Anna noch zur Schule. Die Partie der Pamina hat sie sich später während ihrer Musikhochschul-Ausbildung erarbeitet, allerdings auf Hebräisch. Und mit ihrer russischen Kollegin Irina Oknina kann sie sich mühelos in ihrer Muttersprache unterhalten.
Geboren wurde Anna Virovlansky nämlich 1978 in St. Petersburg. Dort hat sie auch schon im Radio- und Fernsehkinderchor gesungen - einfach aus Spaß und ohne an eine professionelle musikalische Karriere zu denken. Sie war elf Jahre alt, als ihre Eltern beschlossen, nach Israel auszuwandern, das seit 1990 ihre zweite Heimat ist. Die Familie lebt in der Nähe von Haifa, einer Stadt, von der Anna geradezu schwärmt und wo sie regelmäßig die Sommerferien verbringt. „Auch in Israel habe ich anfangs nur gesungen, weil es mir Vergnügen machte“, erzählt sie. Zwar reifte schon während der Schulzeit der Gedanke, ihre Stimme weiter auszubilden, nahm aber erst nach dem zweijährigen Pflichtdienst bei der Armee konkrete Gestalt an. An der renommierten Rubin-Akademie in Jerusalem studierte sie vier Jahre lang Gesang und schloss 2003 ihre Ausbildung ab. Schon in dieser Zeit nahm sie erfolgreich an mehreren Wettbewerben teil. Ihre Professorin Agness Massini nennt sie als ihre wichtigste Lehrerin neben Naftaly Herstick und Susanna Poretzky. Außerdem absolvierte sie etliche Meisterkurse u.a. bei Gary Bertini und bekam Stipendien z.B. von der American-Israel Cultural Foundation. Direkt nach dem Studium war sie am israelischen Opernstudio in Tel Aviv engagiert. „Wir haben dort viele Opernszenen einstudiert, vor allem für Kinder gespielt und ab und zu auch kleine Rollen auf der großen Bühne gesungen. Die Gretel in Humperdincks Märchenoper (in Bonn sang sie in Hänsel und Gretel das Sand- und Taumännchen) mochte ich besonders. Wir haben alles auf Hebräisch gesungen, weil es gerade für das junge Publikum ganz wichtig ist, alles, was da passiert, auch sprachlich zu verstehen.“
Schon 2003 erhielt Anna den Preis des Spring Voices Wettbewerbs in Israel und wurde im selben Jahr beim Bertelsmann-Wettbewerb Neue Stimmen in Gütersloh ausgezeichnet. Beim Belvedere-Wettbewerb in Wien gewann sie ein Gastengagement am Theater Basel und den Preis der Professional Association of Opera Directors, 2005 dann ein Stipendium des Richard-Wagner-Verbandes, wofür sie sich mit einem hinreißenden Auftritt bei einer Festveranstaltung dieses Vereins in Bonn bedankte. Da war sie gerade Mitglied des Bonner Opern-Ensembles geworden. In Gütersloh hatte Constanze Könemann, die künstlerische Betriebsdirektorin des Bonner Opernhauses, Anna Virovlansky gehört und gleich zu einem Vorsingen eingeladen. Weil ihre feine, silbrig glänzende Stimme sofort überzeugte, bekam Anna auf Anhieb in der Saison 2004/05 ihr erstes festes Engagement an der Bonner Oper. „Für mich war das ein Riesenschritt und wirklich eine wunderbare Erfahrung, so schnell mit so vielen ganz unterschiedlichen Persönlichkeiten zusammenzuarbeiten. Ich finde es immer noch toll, welches Vertrauen man hier in mich gesetzt hat. Einer Anfängerin gleich die Norina im Don Pasquale und kurz darauf die Marzelline in Beethovens Fidelio und die Adele in der Fledermaus anzuvertrauen, ist ja ein Risiko. In Bonn habe ich gelernt, mich auf der Bühne zu behaupten. Wir machen unsere Arbeit immer auf dem höchsten Niveau, das wir können; und wenn eine Inszenierung nicht so gut ankommt, trifft uns das natürlich auch. Trotzdem habe ich gerade die Figur der Adele sehr gemocht. Die ist ebenso kokett wie unerfahren, erlebt ganz zufällig ihren ersten großen Ball und leistet sich danach ihren noch größeren Traum von der Bühne.“ Auch für Anna steht das Theater bei ihren Rollengestaltungen im Vordergrund. Im ewigen Streit um den Primat der Musik entscheidet sie sich ganz klar: „Prima le parole, dopo la musica. Zuerst beschäftige ich mich immer mit dem Text. Das ist die eher intellektuelle Seite. Die Musik ist für mich der Subtext, der mir intuitiv klar macht, wie ich etwas singen möchte. Was ich mit einem Lied erzähle, ist ein durch die Musik transparent gemachter öffentlicher Teil von einem persönlichen Leben. Ich frage mich dabei immer, was die Person, die ich verkörpere, vorher erlebt hat und was mit ihr geschehen wird, wenn sie die Bühne wieder verlassen hat.“
Ganz besonders ans Herz gewachsen ist ihr deshalb die Sophie im Rosenkavalier, zumal sie Hofmannsthals Drama für den besten jemals verfassten Operntext hält. „Der übertrumpft in seiner psychologischen Sensibilität selbst Da Pontes geniale Mozart-Libretti. Sophie macht vom fremdbestimmten Püppchen zur selbstbewussten jungen Frau eine unglaubliche Entwicklung durch und begreift am Ende, dass Octavian gar nicht so unschuldig ist und dass in der Kapitulation der attraktiven jungen Marschallin vor der Zeit auch etwas von ihr selbst steckt.“ Richtig gut gefallen hat ihr aber auch ihr Auftritt als rettender Theaterengel in Dietrich Hilsdorfs überaus erfolgreicher Inszenierung von Händels Jephtha.
Ihr beinahe akzentfreies Deutsch hat Anna Virovlansky sich einfach im Gebrauch angeeignet, bittet als Perfektionistin aber im Gespräch immer wieder um Korrekturen: „Ist dieser Artikel jetzt richtig, stimmt dieses Imperfekt?“ Spielerisch auf die Probe stellen kann sie es als Ottilie im Weißen Rössl (s.S. 3), zu dem an diesem Nachmittag eine Hauptprobe ansteht, weshalb Anna auch gleich in die Maske muss. „Die Premiere singt Sigrún Pálmadóttir, ich komme erst ein paar Tage später dran. Ich finde das an diesem Haus ganz wunderbar, dass fast jeder seine großen Chancen bekommt und dass wir uns, wenn's irgendwie möglich ist, bei den Premieren abwechseln. Aber nicht nur deshalb haben wir im Ensemble eine sehr gute Atmosphäre.“ Nach ihrem Debüt als Susanna (alternierend mit Julia Kamenik) wird Anna in dieser Spielzeit noch die schöne Parassja in Mussorgskijs heiterer Oper Der Jahrmarkt von Sorotschinzy singen - natürlich auf Russisch.

Dienstag, 25.02.2014

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