Anjara Ingrid Bartz - kultur 18 - 6/2005

Elisabeth Einecke-Klövekorn trifft Anjara Ingrid Bartz - Eine Sängerin mit vielen Facetten

David macht gerade ein Bühnenmaler-Praktikum in den Werkstätten des Theaters Bonn und hat in den letzten Wochen nach Feierabend nächtelang noch dem Jungen Theater Bonn beim Bühnenbild zum ”Wunschpunsch” geholfen. Judith, die älteste Tochter, ist schon fertig ausgebildete Floristin. Chiara (7) und Linda (4) sind ohnehin überzeugte Theaterkinder und singen gelegentlich mit, wenn ihre Mutter zu Hause an ihren Partien arbeitet. Anjara Ingrid Bartz muss im Nachhinein noch mal lachen: „Vor der Premiere der ‚Herzogin von Chicago' hab ich beim Kochen für die ganze Familie meinen Lispel-Text noch mal rekapituliert. Und dann fragte Linda: ‚Mama, ist Dir das nicht peinlich? Jemand im Kindergarten spricht auch so und muss deshalb zum Doktor.' Die beiden Kleinen waren dann aber sehr zufrieden, dass ich am Ende der Operette doch wieder normal reden, schön singen und schick aussehen konnte.“
Dabei könnte die zierliche Mezzosopranistin locker selbst als pfiffige ”Pippi Langstrumpf“ durchgehen, wenn sie ihre schwarze Lockenmähne zu frechen Zöpfchen bindet. Aber mit dem anarchistischen schwedischen Rotschopf verbindet sie eigentlich nur die heitere Gelassenheit.
Anjara I. Bartz ist eher ein südlicher Typ, und den romanischen Ländern gehört auch ihre besondere Zuneigung. Neben ihrem großen italienischen Repertoire hat sie sich besonders mit den Liedern der französischen Impressionisten beschäftigt und mag auch die temperamentvollen spanischen Komponisten. Für das Deutsch-Italienische Kulturinstitut singt sie regelmäßig bei dessen Weihnachtskonzerten in der mediterranen Toskana; auf der Insel Mainau stand sie beim populären Frühlingsprogramm ”Frisch gesungen“ für das ZDF vor der Kamera. „Zwischen der ersten und zweiten Strophe meines Liedes über den Kaktus hat's allerdings so heftig gegossen, dass wir hinterher alle erkältet waren…“
Für nächsten November hat sie gerade eine Einladung nach Peru zum Festival für Neue Musik in Lima bekommen. „Ich träume schon lange davon, dieses Land mal kennen zu lernen. Als Schülerin habe ich mal in einem Krankenhaus gejobbt und da ein Bild von Machu Picchu gesehen und wollte seitdem unbedingt dahin.“
Entspannung von ihren vielen Aufgaben findet Anjara I. Bartz beim Reiten im Bergischen Land - die Familie wohnt in Neunkirchen-Wolperath. Sie muss an diesem spielfreien Abend schnell noch zum Stall fahren, weil eins der beiden Pferde Husten hat und etwas mehr Zuwendung braucht. Ihr Mann Nils Bräm hütet derweil die beiden kleinen Mädchen, mit denen er munter vom Schwyzertüütsch ins Hochdeutsche wechselt. „Er ist ein Tausendsassa, ausgebildeter Countertenor, hat Tanz in Budapest und Schulmusik in Luzern studiert und ist ein begeisterter Musiklehrer. Seine Schüler schätzen seine Sprachkompetenz und seinen lässigen Humor.“
Warum sie neuerdings den Namen ‚Anjara' trägt? „Weil ich mich mit dem nordischen Namen ‚Ingrid' nie so recht identifizieren konnte - trotz Wagners Rossweisse, Waltraute und Wellgunde, die ich alle in Bonn gesungen habe. ‚Anjara' ist altägyptisch und bedeutet ‚Hohe Priesterin'. Der Name klingt traumhaft schön und berührt mich im Innersten. Alle Menschen haben ihren kosmischen Namen, und ich bekenne mich dazu. Das hat viel mit Spiritualität, aber nichts mit Esoterik zu tun. Außerdem bin ich ja ziemlich bodenständig.“
In Aachen ist Anjara I. Bartz mit fünf jüngeren Brüdern aufgewachsen und hat ihre Liebe zur Musik schon im Kindergarten entdeckt, weil da eine Nonne so wunderbar zur Gitarre sang. Die Jungs durften im Domchor mitwirken, und sie hat sich da dann vieles abgehört und besuchte auch verschiedene Kammerchöre. Nach etwa drei Takten Vorsingen wurde sie beim Aachener Opernchor engagiert und war zeitweise die jüngste professionelle Chorsolistin Deutschlands. Ein ‚vernünftiges' Studium verlangten die Eltern dennoch: Am Anfang standen deshalb Kunstgeschichte mit Schwerpunkt italienische Malerei und Architektur und Erziehungswissenschaft mit dem Ziel Museumspädagogik. Der Gesang wurde jedoch schnell wichtiger. An der Musikhochschule Köln wurde sie - „das forderte schon mindestens vier Takte“ - sofort angenommen und studierte bald schon in internationalen Meisterkursen bei so berühmten Künstlerinnen wie Edith Mathis und Brigitte Fassbaender.
Nach dem Debüt am heimatlichen Stadttheater Aachen folgten ein Jahr in Düsseldorf und ein fünfjähriges Engagement am Badischen Staatstheater Karlsruhe. Seit 1993 gehört sie zum Ensemble der Oper Bonn, hat dort inzwischen mit vier Intendanten zusammengearbeitet und ist also - seit Pieris Zarmas nach Zypern zurückgekehrt ist - das dienstälteste Mitglied. Nicht zuletzt deshalb engagiert sie sich als Obfrau aller Bühnenangehörigen des Theaters Bonn und vertritt die Interessen der Bühnenkünstler auch als stellvertretende Vorsitzende in deren Landesverband NRW.
Selbstverständlich reicht ihr künstlerischer Radius mit Engagements u. a. an der Bayerischen Staatsoper und am Prinzregenten-Theater München, in Wiesbaden, Mannheim, Lüttich, Luxemburg, Wien, Zürich und zahlreichen Konzerthäusern in Italien längst über NRW hinaus, obwohl sie ihre frühen Erfahrungen am Opernstudio Düsseldorf immer noch zu ihren schönsten zählt. Gearbeitet hat sie mit zahllosen international berühmten Dirigenten (z.B. Zubin Mehta, Michel Sasson, Jeffrey Tate) und Regisseuren (z.B. Götz Friedrich, Kurt Horres, Roberto Ciulli).
Die großen Hosenrollen ihres Fachs (z.B. in Bonn der Komponist in ”Ariadne auf Naxos”, der Musikus in ”Manon Lescaut”, der Orlofsky in der ”Fledermaus”, der Niclause in ”Les Contes d'Hoffmann” in zwei verschiedenen Inszenierungen und der Hänsel in Humperdincks Märchenoper, den sie in ihrer Karriere insgesamt sicher schon mehr als 300 Mal gesungen hat, gehören ebenso zu ihren Glanzstücken wie die weibliche Raffinesse bei Rossinis Rosina, Verdis Maddalena, Fenena und Meg Page oder Puccinis anrührende Suzuki. Als Flora wird sie in der nächsten Saison in ”La Traviata” zu erleben sein und als Hermia in Brittens ”Sommernachtstraum”. Das zeitgenössische Musiktheater fasziniert sie ohnehin: In Beat Furrers erfolgreichem ”Nazissus” sang sie die Nymphe Echo, bei der nächsten Produktion von ”Bonn Chance” singt sie auch eine größere Rolle. „Man muss immer ein paar musikalische Visionen im Kopf haben und die Entwicklung der eigenen Stimme beobachten“, sagt sie noch schnell. Denn sie muss nicht nur den Arienabend für die Theatergemeinde im Kammermusiksaal - zusammen mit Reuben Willcox, der in Bonn auch den ”Don Giovanni” singt - und ein privates Programm zur Hochzeit eines Bruders (Cellist) vorbereiten, sondern auch schon mal an ihre nächsten Rundfunkauftritte und CDs denken. In der Kölner Philharmonie wird sie bei der konzertanten Wiederbelebung von Franz von Suppés Operette ”Pique Dame” mitwirken. Im Sommer 2006 plant der WDR mit ihr eine Aufnahme von unbekannten Schumann-Liedern. Darauf freut sie sich jetzt schon; aber erst mal gibt's ein krankes Pferd und zwei putzmuntere Mädchen, die auf die Gutenachtgeschichten von ihrer Mama warten.

Dienstag, 25.02.2014

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