Anita Kupsch - kultur 97 - Juni 2013

Elisabeth Einecke-Klövekorn trifft Anita Kupsch: Schöne Geschichten mit Mama und Papa

Mehr als 1.700 Mal hat die zierliche Schauspielerin mit den kurzen blonden Wuschelhaaren zwischen 2002 und 2010 ihr Solo Männer und andere Irrtümer auf diversen großen Komödienbühnen gespielt. Am Stück ergäbe das mehr als viereinhalb Jahre Lebenszeit, die sie mit den unterschiedlichen Frauenfiguren verbracht hat, die alle dem weiblichen Irrtum namens Mann verfallen sind. „Der größte Irrtum ist allerdings, wenn Leute das für ein männerfeindliches Stück halten“, meint Anita Kupsch bei unserem Gespräch im Foyer des Contra-Kreis-Theaters. 2006 und wegen des großen Erfolges noch mal 2007 war sie hier mit der witzigen One-Woman-Show zu erleben, für die sie 2004 mit dem Berliner Publikumspreis als beste Schauspielerin ausgezeichnet wurde. Diesen „Goldener Vorhang“ genannten Preis erhielt sie zum ersten Mal 1978 für die Rolle der Cat in der bezaubernden Komödie Eine Rose zum Frühstück von dem französischen Autorenduo Barrillet/Grédy. Für die Titelrolle in der Kriminalkomödie Keine Leiche ohne Lilly bekam sie 2001 den „BZ-Kulturpreis“ in ihrer Heimatstadt Berlin, wo sie am 18.Mai 1940 zur Welt kam.
Bereits als Fünfjährige trat sie im Kinderballett auf und begann mit zwölf Jahren ihre klassische Tanzausbildung bei der legendären Tatjana Gsovsky, zu deren Schülerinnen auch Gisela Pflugradt gehörte, ehemalige Solistin an der Oper Bonn und jetzige Leiterin des Euro Theater Central. Als Ballett-Elevin im Schwanensee an der Städtischen Oper Berlin fiel die 17-jährige Kupsch dem Filmregisseur Peter Beauvais auf, der ihr ein Vorsprechen bei der Ufa empfahl. „Wahrscheinlich hatte ich in der Nummer der Schwanenmädchen einen eigenwilligen Flügelschlag gemacht und mich fürs strenge Ballett damit eher disqualifiziert. Bühnenmäßig sprechen konnte ich damals jedenfalls nicht. An unserem musisch orientierten Gymnasium hatte ich zwar im Schultheater mitgewirkt und am Schillertheater sogar die kleine Louison in Molières Eingebildetem Kranken gespielt. Außerdem hatte mich Ludwig Manfred Lommel für seine beliebten Sketche Paul und Paulinchen engagiert. Aber an eine Schauspielkarriere dachte ich gar nicht.“
Anita Kupsch erhielt ein Begabtenstipendium am Ufa-Nachwuchsstudio unter der Leitung von Else Bongers, aus deren Schule unzählige Stars (z.B. Hildegard Knef, Goetz George, Sabine Sinjen und Ulrich Matthes) hervorgingen. Trotz guter Noten ließ sie das Abitur sausen und absolvierte ihre künstlerische Ausbildung in Rekordzeit. „Das war echt hart, weil meine Eltern darauf bestanden, dass ich auch noch was ‚Solides‘ lernen sollte. Nebenbei machte ich also eine Lehre als Kosmetikerin. Mit Schminke und Masken kenne ich mich also aus.“
1958 bekam sie ihre erste Filmrolle in der Komödie Ingeborg von Curt Goetz in der Regie von Wolfgang Liebeneiner. 1962 folgte das Fluchtdrama Tunnel 28 von Robert Siodmak. Ihr erstes Theater-Engagement erhielt sie 1960/61 am Berliner Renaissance-Theater unter der Leitung von Kurt Raeck. Sie spielte zahlreiche schöne Rollen wie die Adriana in Shakespeares Komödie der Irrungen. „Im ernsten Fach habe ich mich auch versucht, aber bei traurigen Figuren war die Identifikation zu groß. Ich ging nach den Vorstellungen immer so deprimiert nach Hause, dass die Kollegen mir rieten, lieber was Lustiges zu machen“.
Von ihren berühmten Kollegen aus den Anfangsjahren schwärmt sie immer noch. „Theo Lingen z.B. war ein richtiger Herr alter Schule, immer höflich und aufmerksam, ganz anders als seine Kino-Figuren. Auch O.E. Hasse war ein toller Kollege, von dem ich viel gelernt habe.“ Von 1964 bis 1968 war sie am Berliner Hebbel-Theater engagiert. Ein Riesenerfolg wurde ihre Kitty in der Uraufführung von Horst Pillaus Der Kaiser vom Alexanderplatz an der Seite von Rudolf Platte in der Regie von Erik Ode. Erst nach über 400 Vorstellungen wurde das Stück abgesetzt. Ein wenig bedauert sie es, dass Autoren wie Curt Goetz, Sascha Guitry und Jacques Audiberti heute kaum noch gespielt werden.
Neue Stücke liest sie regelmäßig und sucht nach guten Rollen für sich. Inzwischen bestimmt sie selbst, was sie machen möchte. „Die in Paris sehr erfolgreiche Fortsetzung des ‚Männer‘-Comics hat mir nicht gefallen. Neu entdeckt habe ich allerdings Die Perle Anna von Marc Camoletti.“ Seit der Premiere 2010 am Berliner Theater am Kurfürs­tendamm hat sie die Paraderolle der gewitzten Pariser Haushälterin unzählige Male in verschiedenen Städten verkörpert. Unmittelbar nach dem Ende der Bonner Vorstellungsserie von Schöne Geschichten mit Papa und Mama wird sie in München und später in Essen wieder die „Perle“ spielen.
Ihr Terminkalender ist für die nächsten zwei Jahre ohnehin schon randvoll. Auf ihrem Programm stehen u.a. eine Bühnenfassung der amerikanischen Fernsehserie Golden Girls in Düsseldorf und München und die neue Komödie Pretty Girl von Florian Battermann. „Ich weiß jetzt schon, dass ich das Weihnachten 2015 in Düsseldorf spielen werde“, sagt sie mit ihrem unverwechselbaren spitzbübischen Kupsch-Lächeln, das bundesweit berühmt wurde in der TV-Kultserie Praxis Bülowbogen. Als Günther Pfitzmann nach knapp zehn Jahren 1996 die Chefarztrolle aufgab, quittierte auch sie ihren Dienst als Krankenschwester Gabi. Und bekam beim ZDF gleich ihre eigene Sitcom Anitas Welt. Fernsehen hat sie schon seit Anfang der 1970er Jahre gemacht. Als Biggi in der ARD-Krimiserie Okay S.I.R. wurde sie einem breiten Publikum bekannt, unvergesslich blieb sie in der mehrteiligen Fallada-Verfilmung Ein Mann will nach oben an der Seite von Harald Juhnke.
Aber das Theater macht ihr mehr Spaß: „Es ist unmittelbar lebendig. Man kann das Publikum packen und mit ihm spielen. Den Applaus finde ich gar nicht so wichtig, obwohl er persönlich viel mehr befriedigt als Einschaltquoten. Wunderbar am Contra-Kreis ist die Nähe zu den Zuschauern.“ Unter der Leitung von Horst Johanning, mit dem sie bereits mehrfach an verschiedenen Theatern zusammenarbeitete, hat sie an diesem Vormittag schon geprobt für „Schöne Geschichten“. Die Rolle der alten Dolores ist ihr seit 2007 ans Herz gewachsen, als das Stück in Berlin in der Regie des 2011 verstorbenen Wolfgang Spier herauskam. „Zuletzt habe ich in Frankfurt eine andere Inszenierung mit einem anderen Ensemble gespielt und muss mich jetzt total konzentrieren auf die Contra-Kreis-Version. Sehr berührt hat mich übrigens ein Treffen mit der Tochter des spanischen Autors Alfonso Paso, die aus London zu einer Vorstellung in Hamburg angereist war.“
Aus ihrer ersten Ehe mit dem Journalisten Henno Lohmeyer hat sie selbst eine Tochter, mit der sie mehrfach vor der Kamera und auf der Bühne stand. „Daniela hat von einem Tag auf den anderen plötzlich mit der Schauspielerei aufgehört. Das muss man respektieren.“ In dem erfolgreichen Stück Lokomotive des Franzosen André Roussin arbeitete Kupsch 2012 zum ersten Mal mit ihrer 19-jährigen Enkelin Lea Schobesberger zusammen. „Im Theater sehe ich sie nur als Kollegin, aber natürlich berate ich sie bei ihrem Studium und in sonstigen Lebensfragen.“ Ihr perfektes Italienisch verdankt Anita Kupsch ihrem französischen zweiten Gatten, mit dem sie zwei Jahre in Rom verbrachte. Geblieben ist eine Vorliebe für geistreiche französische Komödien.
Seit 34 Jahren lebt sie nun zusammen mit ihrem Ehemann Klaus Krahn. „Er hat mich unglaublich unterstützt in der letzten schweren Zeit. Eine meiner drei Schwestern starb an einem Gehirntumor. Bei mir wurde Brustkrebs festgestellt. Drei Tage nach der Operation bin ich aus dem Hospital ausgebüxt und habe wieder gespielt. Wahrscheinlich war das die beste Therapie, obwohl die tückische Krankheit ja noch längst nicht endgültig überwunden ist. Ich kämpfe nicht dagegen, sondern nehme sie einfach angstfrei an. Toll finde ich, wie radikal Angelina Jolie gerade mit ihrer Gefährdung umgegangen ist und damit anderen Frauen Mut macht.“
Selbstmitleid kann das quirlige Energiebündel Kupsch nicht ausstehen. Dumme Fragen auch nicht. Deshalb ist sie bei einer TV-Talk­Show kürzlich einfach vor laufenden Kameras abgehauen. „Ich hab gesagt, ich müsste mal zum Klo und bin geflüchtet. Eckart von Hirschhausen hat dann in seiner Show gut aufgepasst, dass alle Schlupflöcher verschlossen waren.“ Der kapriziöse Star mit der frechen Berliner Schnauze amüsiert sich immer noch darüber. „Verarschen sollen sich die Leute allein. Ich mache ehrliches Theater.“ Und wirbelt zur letzten Probe vor der Bonner Premiere in die Garderobe.

Dienstag, 03.12.2013

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