Purcell, Henry (1659 - 1695)

aus kultur Nr. 62 - 1/2010

„The godlike man, Alas! too soon retir’d, As he too late began.“ (Der göttergleiche Mann, Ach, er entschlief zu früh, Der viel zu spät begann.) Diese Zeilen aus einer Ode „On the death of Mr. Henry Purcell“ von John Dryden spielen auf die kurze Lebenszeit des bedeutenden englischen Komponisten und Organisten an. Purcell war wahr­scheinlich der Sohn von Henry und ­Elizabeth; entscheidend gefördert wurde das verwaiste Kind von seinem Onkel Thomas Purcell. Bis zu seinem Stimmbruch war Henry als Chorknabe an der Chapel Royal Teil des ältesten und berühmtesten Kirchenchores Englands unter der Leitung H. Cookes und P. Humfreys. Anschließend wurde er Assistent von J. Hingeston, dem Wart der königlichen Blas- und Tasteninstrumente. Eine formale Ausbildung erhielt Purcell von J. Blow und Chr. Gibbons. 1677 wurde er Nachfolger von M. Locke im Amt des „composer for the violins“ bei Hofe und zwei Jahre später von Blow als Organist von Westminster Abbey. 1680 heiratete Purcell Frances Peters, von deren Kindern zwei das Erwachsenenalter erreichten.
1680 komponierte Purcell seine erste Hofode Welcome Vicegerent of the Mighty King; der Hof der Stuarts in Whitehall bildete in den nächsten acht Jahren den Mittelpunkt seines kompositorischen Schaffens. 1682 wurde er als „gentleman“ in die Chapel Royal aufgenommen und übte eines der drei Organistenämter aus. 1684 wurde er besoldeter Nachfolger des Instrumentenwarts Hingeston; in seiner Anstellungsurkunde erhielt er weitreichende Vollmachten bezüglich des Baus und der Reparatur von Instrumenten sowie der Anstellung von Arbeitern für diese Zwecke.
Das 1689 gekrönte Regentenpaar Wilhelm III. von Oranien und Maria Stuart unterhielt keinen aufwendigen Hof in London, so dass Purcell sich anderen großen Aufgaben widmen konnte. Es entstanden die erste große Geburtstagsode für die Königin, Stücke für The Second Part of Musick’s Hand-maid; die Oper Dido and Aeneas wurde im Mädcheninternat von Josias Priest in Chelsea aufgeführt und Purcell komponierte die Ode Celestial Music für die Akademie von Lewis Maidwell in der King Street.
Seit 1690 entstanden Kompositionen für Theaterstücke der öffentlichen Bühnen und Purcell war auch als Lehrer sehr gefragt.
Beim Staatsbegräbnis für Königin Maria Stuart am 5. März 1695 erklangen einige Werke des Komponisten. Noch im selben Jahr starb Purcell überraschend; er wurde am 26. November im Nordschiff der Westminster Abbey unter der Orgel beigesetzt.
Der nur 36 Jahre alt gewordene Komponist hinterließ ein erstaunlich vielseitiges und umfangreiches Gesamtwerk.
Ausgehend von der englischen Tradition entwickelte Purcell unter dem Einfluss zeitgenössischer, besonders italienischer, Techniken seinen Personalstil. Sein kontrapunktisches Können und die Komposition von Grounds (Ostinati (s.u.)) für alle bei ihm vertretenen Musikformen ist meisterhaft.
Purcell komponierte zahlreiche Anthems und Services, die als Teil des Morgen- und Abendgottesdienstes gesungen wurden. Instrumental besetzte Anthems, so genannte symphony anthems erklangen zu besonderen Anlässen, wie z.B. My Heart is Inditing für die Krönung von Jakob II.
Die Oden, die Purcell bis 1688 komponierte, waren neben den traditionellen Neujahrs- und Geburtstagsoden für den König sog. welcome songs, mit denen die Rückkehr des Hofes nach Whitehall nach der Abwesenheit während der Sommermonate gefeiert wurde. Seit 1689 entstanden vor allem Geburtstagsoden für die Königin und andere Gelegenheitsoden für Institutionen außerhalb des Hofes, von denen die bedeutendste Hail, Bright Cecilia, die Cäcilienode von 1692, ist.
Von Purcells Bühnenwerken ist Dido and Aeneas am bekanntesten; diese Oper ist auch die einzige durchgängig gesungene Bühnenhandlung. Die individuelle psychologische Darstellung der Königin Dido ist in diesem Werk einzigartig. Purcells andere Bühnenwerke (z.B. King Arthur oder The Fairy Queen) sind Semi-Opera, in denen die Musik ein unterschiedliches Maß an dramatischer Bedeutung erhält. Darüber hinaus entstanden Bühnenmusiken für mehrere Theaterstücke.
Von Purcells Instrumentalmusik sind nur wenige Werke erhalten, unter ihnen Tänze, Ouvertüren, Fantasien und Sonaten. Obwohl er selbst als Organist tätig war, sind auch nur wenige Orgelstücke überliefert, was an dem Umstand liegt, dass das Orgelspiel zur damaligen Zeit meistens eine Improvisationskunst war.
Noch nach seinem Tod genoss Purcell bei englischen Musikern und Musikliebhabern großes Ansehen. Sein Einfluss auf die jüngeren Komponisten machte sich in der Musikkultur geltend, die Händel 1710 bei seinem ersten Aufenthalt in England antraf. Noch bis ins 18. Jahrhundert hinein wurden seine dramatischen Werke häufig aufgeführt. Danach dauerte die unvollständige Präsenz seiner Werke bis ins 20. Jahrhundert an. In jüngerer Zeit stießen seine Kompositionen erneut auf Interesse bei den Komponisten B. Britten, was sich beispielsweise in dessen Kantate op. 30 äußerte, und bei M. Tippet, der einen großen Teil von Purcells Musik herausgab und aufführte. E.H.

Hörtipps:
- The Fairy Queen, Roger Norrington, veritas.
- Songs and Airs, Nancy Argenta, veritas.
- Dido and Aeneas, William Christie, Erato.
- Fantasias & Suites, Nikolaus Harnoncourt, Fritz Mahler, The Bach Guild.
- Hail! Bright Caecilia, Welcome to all the Pleasures, Philippe Herreweghe, harmonia mundi.

Mittwoch, 05.01.2011

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