Nicolai, Otto (1810 - 1849)

kultur 85 - April 2012

Der in Königsberg, heute Kaliningrad, geborene Komponist Otto Nicolai verbrachte seine ersten zehn Lebensjahre bei Pflegeeltern, ehe sich sein Vater um ihn kümmerte. Carl Nicolai war als Bühnensänger und Kapellmeister an kleineren Häusern tätig und wünschte sich für seinen Sohn eine Wunderkindkarriere. Mit körperlichen Züchtigungen drängte er Otto zum Klavierspiel und zu Handlangerdiens­ten für seine eigene Arbeit, so dass dieser 1825 die Schule verlassen musste. Im Folgejahr floh Otto aus seinem Vaterhaus und wollte durch Konzerte in preußischen Provinzstädten die Reise nach Berlin finanzieren, um sich dort zu etablieren. Nach einem körperlichen Zusammenbruch in Stargard in Pommern kam Otto zu August Adler, der sich fast ein Jahr lang bemühte, Nicolais Ausbildung zu vervollständigen. 1828 gelangte Nicolai schließlich nach Berlin, wo er sich dem Leiter der Singakademie, Carl Friedrich Zelter, vorstellte. Durch Zelters Fürsprache erhielt er einen Studienplatz am Königlichen Institut für Kirchenmusik und ein kleines Stipendium für seinen Lebensunterhalt. Nicolai hatte Unterricht in Gesang bei E. Fischer, im Klavierspiel bei L. Berger und in Komposition bei B. Klein. Nicolais Mitgliedschaften in der Berliner Singakademie, in der Jüngeren und der Älteren Liedertafel (s.u.) und im „Liederverein 1829“ verschafften ihm Zugang zu den führenden Kreisen Berlins.
Mit seinem Opus 1 Introduktion und Variationen über ein Thema von W.A. Mozart empfahl sich Nicolai als Klavierlehrer. Es folgten Kompositionen von Liedern, Duetten und Chören, ungedruckt blieben die ers­te Symphonie c-moll und größer besetzte kirchenmusikalische Werke. Im Frühjahr 1833 gab Nicolai sein erstes Berliner Konzert. Zur gleichen Zeit lernte Karl von Bunsen, als preußischer Gesandter nach Rom bestellt, Nicolai während eines Berlinbesuchs kennen. Er bot dem Komponisten die Stelle des Organisten an der Gesandtschaftskapelle der deutschen evangelischen Gemeinde in Rom an. Von Januar 1834 bis März 1836 hielt sich Nicolai in dieser Funktion in der römischen Hauptstadt auf. Dort studierte Nicolai den strengen Satz bei G. Baini und verfolgte das zeitgenössische italienische Operngeschehen. Nicolai, der zum Königlich Preußischen Musikdirektor ernannt worden war, lebte noch über ein Jahr lang als freischaffender Komponist in Italien. In dieser Zeit erwarb er den Titel eines maestro compositore onorario der Accademia Filarmonica zu Bologna, bemühte sich zunächst aber noch vergeblich um einen Opernauftrag.
Seit Juni 1837 war Nicolai als Kapellmeister am Wiener Theater nächst dem Kärntnerthor engagiert. In der Leitung des Orchesters und des Opernensembles errang er vielbeachtete Erfolge. Sein Opernerstling Rosmonda d’Inghilterra entstand. Von 1838-41 hielt sich Nicolai wieder in Italien auf und erzielte 1839 mit dieser Oper am Theater zu Triest unter dem neuen Namen Enrico II. einen Achtungserfolg. Seine zweite Oper Il Templario wurde bei ihrer Uraufführung 1840 in Turin enthusiastisch gefeiert. Zur gleichen Zeit wie Guiseppe Verdi erhielt Nicolai die Anerkennung als „maestro“ und wurde von Theaterpächtern mit Aufträgen umworben. Zwei weitere Opern folgten, bevor der Komponist im Frühjahr 1841 u.a. wegen des gescheiterten Verlöbnisses mit der Sängerin Erminia Frezzolini das Land wieder verließ.
Nicolai trat abermals in Wien die Stelle des Ersten Kapellmeisters am Theater nächst dem Kärntnerthor an. Dies schloss die Verpflichtung ein, selbst deutsche Opern zu komponieren. Der Komponist arbeitete zwei seiner italienischen Opern um und brachte sie als Die Heimkehr des Verbannten (1844) und Der Tempelritter (1845) auf die Bühne. Seit dem Frühjahr 1842 rief Nicolai mit den Musikern des Opernorchesters die Tradition der Philharmonischen Konzerte ins Leben. Mit diesen Konzerten setzte er Maßstäbe sowohl für die Orchesterkultur als auch für die Interpretationsgeschichte. Die Konzerte dienten damals der Pflege allein „klassischer Musik“, d.h. es standen Werke von Mozart und Beethoven und wenige Kompositionen anderer Tonsetzer auf dem Programm.
1844 reiste Nicolai als Ehrengast in seine Heimatstadt Königsberg. Dort wurde von ihm zum 300. Gründungstag der Universität die Kirchliche Fest-Ouverture über den Choral „Ein feste Burg ist unser Gott“ op. 31 aufgeführt. Zurück in Wien komponierte Nicolai seine erste und einzige originär deutsche Oper, Die lustigen Weiber von Windsor, die sich bis heute auf den Spielplänen gehalten hat.
Nach einem Abschiedskonzert, an dem die Sängerin Jenny Lind mitgewirkt hatte, verließ Nicolai 1847 die Stadt an der Donau. Er erhielt seine Bestallung als Kapellmeister am Königlichen Theater zu Berlin und als Künstlerischer Leiter des Domchores. Diese letzte Stellung hatte zuvor Felix Mendelssohn Bartholdy inne. Nicolai komponierte nun eine Reihe von größer angelegten Kirchenmusikwerken. Im März 1849 wurde seine letzte Oper Die lustigen Weiber von Windsor uraufgeführt. Zwei Monate später starb der Komponist ohne ernsthafte Krankheitsanzeichen am Tag seiner Wahl zum ordentlichen Mitglied der Akademie der Künste.

Nicolais Œuvre umfasst ca. 235 Kompositionen, von denen weniger als die Hälfte gedruckt vorliegen. Die Schwerpunkte seines Schaffens liegen eindeutig auf den Gebieten Oper, Lied und Chormusik.
­­Kla­­­vier-, Kammer- und großbesetzte Chor- bzw. Orchestermusik sind zahlenmäßig rar vertreten. In seinen Kompositionen beweist Nicolai eine ausgeprägte Fähigkeit, unterschiedlichste Stileinflüsse aufzunehmen und zu einem charakteristischen Eigenton zu verschmelzen. In den weniger gelungenen Werken wurde Nicolai häufig Eklektizismus vorgeworfen. Der Komponist selbst sprach in seinen Briefen und Aufsätzen immer wieder von seinem Stilideal der Verbindung „deutscher Schule“ mit „italienischer Leichtigkeit“. Dieses Ziel hat er am deutlichsten in seiner Oper Die lustigen Weiber von Windsor erreicht. Dieses Werk stellt auch heute noch den erfolgreichsten Beitrag zum Genre der deutschen komischen Oper in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts dar. E.H.

Hörtipps:
- Die lustigen Weiber von Windsor, Frick, Gutstein, Engen, Wunderlich, Pütz, Litz, Mathis, Chor der Bayerischen Staatsoper München, Bayerisches Staatsorchester, Heger, EMI.
- Il Templario, Begemann, Penttinen, Jackson, Robert-Schumann-Philharmonie, Frank Beermann, cpo.
- Te Deum, Motetten, Koch Schwann.

Donnerstag, 12.09.2013

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