Kodály, Zoltán (1882 - 1967)

kultur 74 - 3/2011

„Wenn ich einen Komponisten nennen sollte, in dessen Werken der ungarische Geist seinen vollendetsten Ausdruck findet, wo würde ich antworten: Kodály.“ Diese 1928 geschriebenen Worte stammen von Béla Bartók, dem berühmten ungarischen Komponisten und Freund Kodálys.
Kodály, der zugleich auch Volkmusikforscher und Musikpädagoge war, wurde als zweites von drei Kindern des Eisenbahnbeamten Frigyes Kodály und dessen Frau Pauline, geb. Jaloveczky, in Kecskemét geboren. Seine Eltern waren beide Musikliebhaber – der Vater spielte Geige und die Mutter Klavier –, so dass er bereits früh mit der klassischen Kammermusikliteratur vertraut wurde. Als Schüler des Gymnasiums in Nagyszombat lernte Kodály autodidaktisch Klavier, Violine, Violoncello und Harmonielehre; in der Schule spielte er im Orchester und sang im Chor. In Schülerkonzerten erklangen auch seine ersten Kompositionen.
An der Universität in Budapest studierte Kodály deutsche und ungarische Sprache und Literatur. Gleichzeitig besuchte er nach gelungener Aufnahmeprüfung an der Musikakademie die Kompositionsklasse von Hans Koessler. 1904 erhielt er sein Diplom als Komponist; im Jahr da­rauf bestand er das Lehrerexamen.
Seit 1905 betrieb Kodály seine Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der ungarischen Volksmusik: Er unternahm Reisen in die Provinz, um authentische Lieder zu sammeln. Seine Doktorarbeit im Folgejahr handelte vom „Strophenbau des ungarischen Volksliedes“. Béla Bartók, den Kodály bei einem Treffen im Hause von Emma Gruber kennenlernte, unterstützte ihn bis zum Ersten Weltkrieg bei seiner Sammeltätigkeit. Durch diese Forschungsarbeit, die in mehr als 3500 gesammelten Liedern dokumentiert ist, entdeckten die beiden Komponisten die pentatonische Schicht in den ungarischen Volksliedern.
1906 wurde Kodálys Diplomarbeit, das Orchesterwerk Nyári este (Sommerabend) uraufgeführt. Ein Halbjahres-Stipendium führte ihn anschließend nach Wien und Paris. In Paris wurde er entscheidend von Debussy beeinflusst – das Klavierstück Méditation sur un motif de Claude Debussy ist eine Hommage an den französischen Komponisten.
Im folgenden Jahr wurde Kodály zum Professor für Musiktheorie und 1908 für Komposition an der Budapester Musikakademie ernannt. Nach dem Ersten Weltkrieg war Kodály in der bürgerlichen Republik und der darauf folgenden Räterepublik stellvertretender Direktor der Musikakademie und erhielt dadurch die Möglichkeit, seine Vorstellungen der Musikausbildung durchzusetzen. Nach dem Zusammenbruch der Räterepublik wurde ein Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet und er wurde zwei Jahre vom Unterricht suspendiert.
Aus dem Kompositionsauftrag der Stadt Budapest für die 50-Jahr-Feier der Vereinigung der drei Städte Buda, Pest und Óbuda entstand der Psalmus hungaricus. 1923 uraufgeführt, wurde dieses Werk auch international zum bisher größten Erfolg seiner Laufbahn.
Seit 1925 komponierte Kodály überwiegend Chormusik, vor allem auch Werke für Kinderchor. Von seinen Orchesterwerken gehört die Háry János Suite zum Standardwerk des Repertoires. Die beiden Tanz-Zyklen Marosszéki tancok (Marosszéker Tänze, 1929) und Galántai táncok (Tänze aus Galánta, 1933), in denen Kodály authentische ungarische Tanzmusik des 18. Jh. verarbeitete, sind ebenfalls häufig gespielte Werke. Die Klavierwerke und die Lieder Kodálys konnten sich außerhalb des Heimatlandes nicht durchsetzen. Die Rezeption der Chorwerke wurde nach dem Zweiten Weltkrieg über Großbritannien möglich; seit den 1970er Jahren sind sie in Japan besonders beliebt.
Das Jahr 1942 wurde vom Landesverband der ungarischen Gesangvereine zum Kodály-Jahr erklärt. Im selben Jahr ging der Komponist an der Musikakademie in Pension, unterrichtete aber noch bis 1956 Volksmusik. Seit seiner Pensionierung begann die Regierung, Kodálys Plan der musikalischen Bildung an den Schulen zu unterstützen. Nach dem Zweiten Weltkrieg organisierte er eine erste musikalische Vorschule für Kinder, in der das Gehör und das Rhythmusgefühl entwickelt werden sollten. Diese Form verbreitete sich in den nächsten Jahren im ganzen Land. In den 1950er und 60er Jahren entstanden 120 Grundschulen, in denen die Musik täglich Unterrichtsgegenstand war.
Kodály wurden zahlreiche öffentliche Aufgaben übertragen; er wurde u.a. zum Präsidenten des Rats für Ungarische Kunst gewählt. In Ungarn erhielt der Komponist insgesamt dreimal den Kossuth-Preis. Zahlreiche Auszeichnungen und Ehrenmitgliedschaften zeugen von seinem internationalen Erfolg.
Neben Konzerttourneen ins Ausland nahm Kodály an musikethnologischen und musikpädagogischen Konferenzen teil und veröffentlichte musikpädagogische Werke. Bereits zu seinen Lebzeiten wurden Institutionen für die Verbreitung der weltweit berühmt gewordenen Kodály-Methode (s.u.) in Tokio, Boston, Ottawa, Sydney Jyväskylä (Finnland) gegründet. Zwischen 1951 und 66 erschienen fünf Bände der 40 Jahre zuvor gemeinsam mit Bartók geplanten Sammlung einer Gesamtausgabe der ungarischen Volksmusik. Kodálys volksmusikalische Forschungen werden im Institut für Musikwissenschaft der Ungarischen Akademie der Wissenschaften fortgesetzt: Der zehnte Band der Gesamtausgabe der ungarischen Volksmusik wurde 1997 publiziert.
Kodálys Veröffentlichungen über Béla Bartók, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verband, gehören bis heute zur wissenschaftlichen Grundlage der Bartók-Forschung.
Mit seiner Arbeit hatte Kodály einen entscheidenden Anteil an einer eigenständigen nationalen Kunstmusik. In seinen Kompositionen erweiterte er die traditionelle Tonalität, stand aber gleichzeitig den radikalen Strömungen der Neuen Musik ablehnend gegenüber. Kodály strebte nach einer Synthese des ungarischen Wesens der Musik mit europäischen Werten und ihrer Verständlichkeit.
„Kodály setzte sich die Idee eines europäischen Ungarntums als Ziel, und der Verwirklichung dieser Idee widmete er seine dreifache, kompositorische, pädagogische und wissenschaftliche, Begabung.“ (Anna Dalos) E.H.

Lesetipp:
- László Eösze, Zoltán Kodály. Sein Leben und sein Werk, Boosey & Hawkes.
Hörtipps:
- Háry János Suite, Dances of Galánta, u.a., Philharmonia Hungarica, Antal Dorati, DECCA.
- Choral Works, Vasari Singers, Jeremy Backhouse, Guild.

Donnerstag, 12.09.2013

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