Hindemith, Paul (1895 - 1963)

kultur Nr. 26 - April 2006

Der Musiker, Komponist und Dirigent Paul Hindemith war das erste von drei Kindern des Malers und Anstreichers Robert Rudolf Emil Hindemith. Der Vater, dem die Ausübung eines musikalischen Berufs verwehrt worden war, erteilte allen seinen Kindern eine strenge musikalische Erziehung. Paul und seine Schwester Toni spielten Geige und der Bruder Rudolf Violoncello. Als "Frankfurter Kindertrio" traten die drei Geschwister in oberhessischen Dörfern auf.
Im Jahre 1908 wurde Paul Geigenschüler an Dr. Hochs Konservatorium in Frankfurt a.M. Durch seine große Begabung und seinen ungewöhnlichen Fleiß entwickelte er sich zu einem einzigartigen Interpreten. Sein Spiel zeichnete sich durch einen tragenden Ton, einen durchdachten, ausdrucksvollen Vortrag und eine mühelose Technik aus. Mit 20 Jahren erhielt er eine Anstellung als erster Konzertmeister im Frankfurter Opernorchester. Als Solist und in einem Streichquartett spielte Hindemith außerdem Bratsche und als Kammermusikpartner Klavier. Im Jahre 1922 gründete Hindemith das berühmte Amar-Quartett, mit dem er als Bratschist Konzertreisen durch ganz Europa unternahm. In dieser Funktion sowie als Mitglied des Programmausschusses der Donaueschinger Musiktage gewann Hindemith eine kaum überschätzbare Bedeutung für die Verbreitung, Popularisierung und Entwicklung der neuen Musik der zwanziger Jahre.
Bereits in jungen Jahren komponierte Hindemith kleinere Musikwerke; Unterricht in Kompositionslehre und Kontrapunkt erhielt er seit 1912 zunächst bei Arnold Mendelssohn (1855-1933, Sohn eines Vetters von Felix Mendelssohn-Bartholdy), später bei Bernhard Sekles (1872-1934). Hindemiths erste wichtige Kompositionen entstanden noch unter dem Einfluss Johannes Brahms und Max Regers in den Jahren 1917/18 u.a. mit den "Drei Stücken für Cello und Klavier". Sein eigener Stil entwickelte sich seit Anfang der 20er Jahre. In seinen eigenen Worten brach er "aus konservativer Schulung in eine neue Freiheit" auf. Spektakulär waren die Uraufführungen des Einakters "Mörder, Hoffnung der Frauen" (nach einem Text von Oskar Kokoschka) und der Tanzsuite "Das Nusch-Nuschi" im Jahre 1921. Mit Werken wie dem 2. und 3. Streichquartett, der "Suite 1922" und der "Kammermusik Nr. 1" brach Hindemith auf verschiedene Weise mit der Tradition und komponierte bewusst gegen romantischen Schönklang.
Als eines der wichtigsten Werke Hindemiths im Bereich der Neuen Musik gilt der Liederzyklus "Das Marienleben" (1914, Neufassung 1947, nach Gedichten von Rainer Maria Rilke). Der Durchbruch zur großen Oper gelang Hindemith mit "Cardillac" (1926, Neufassung 1952). Ihr folgten die berühmten Opern "Mathis der Maler" (1935), in der das Problem des Künstlerdaseins am Beispiel des Malers Matthias Grünewald thematisiert wird, sowie "Die Harmonie der Welt" (1957), in deren Mittelpunkt der Astronom Johannes Kepler steht. Als erster Komponist schrieb Hindemith Musik für das 1930 entwickelte Trautonium, beispielsweise das Konzertstück für Trautonium und Streichorchester aus dem Jahre 1931.
Hindemiths Werke, die ihn zum Wortführer der jungen Komponistengeneration machten, wurden im dritten Reich als "kulturbolschewistisch" abgestempelt und von den Konzertprogrammen gestrichen. Aufgrund dieser Entwicklung gab Hindemith seine inzwischen ausgeübte Lehrtätigkeit an der Berliner Hochschule für Musik auf und übersiedelte mit seiner Frau Gertrud geb. Rottenberg im Jahre 1938 in die Schweiz; zwei Jahre später in die USA, wo er eine Professur an der Yale-Universität übernahm. Hier setzte er sich unter anderem für die historische Aufführung alter Musik von Perotinus (ca. 1200) bis Bach ein. Seine in dieser Zeit entstandenen Werke für den Konzertsaal zeichnen sich durch eine brillante Instrumentation aus, die von einer detaillierten Kenntnis der Möglichkeiten des jeweiligen Instruments zeugt.
Viele seiner Kompositionen entstanden für bestimmte Orchester oder Solisten und für Musikfeste. Hindemith war darüber hinaus ein entschiedener Befürworter der Komposition von Gebrauchsmusik und schrieb Werke für den Unterricht, für Sing- und Spielkreise der Jugendbewegung sowie für Laien und Musikfreunde.
Im Jahre 1951 folgte Hindemith einem Ruf als Professor für Musikwissenschaft an die Universität Zürich und unternahm in den folgenden zehn Jahren als Dirigent Konzertreisen durch ganz Europa. Nach mehreren Schlaganfällen starb Hindemith im Alter von 68 Jahren in Frankfurt a.M. E.H.

Zum Nachlesen:
Giselher Schubert, Paul Hindemtih, Rowohlt.

Zum Nachhören:
Paul Hindemith, Streichquartette Nr. 2 f-Moll, op. 10 & Nr. 6 in Es, Juillard String Quartet, Wergo.
-, Sancta Susanna, Drei Gesänge, Wergo.
-, Virtuose Werke für Bratsche, Georg Schmid, Schwann.

Dienstag, 25.02.2014

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