Grieg, Edvard (1843 - 1907)

kultur 97 - Juni 2013

Der norwegische Komponist Edvard Grieg entstammte ursprünglich schottischem Geschlecht; sein Urgroßvater wanderte 1770 nach Norwegen aus und gründete in Bergen eine Exportfirma für Hummer und Trockenfisch. Edvard war das zweitjüngste von fünf Kindern Alexander Griegs und Gesine Judithe Hagerups. Griegs Mutter hatte Gesang, Klavier und Musiktheorie studiert; sie konzertierte gelegentlich in Bergen und gab Klavierunterricht. Unter ihrer Leitung fanden auch Hauskonzerte statt. Ihrem Sohn Edvard erteilte sie mit sechs Jahren Klavierunterricht; auch zwei weitere Kinder waren musikalisch begabt – die älteste Tochter Maren war später eine gefragte Klavierlehrerin und der zweite Sohn John war ein guter Cellist.
1858 reiste der fünfzehnjährige Edvard auf Empfehlung Ole Bulls nach Leipzig, um dort Klavier und Musiktheorie zu studieren – sein Ziel war es, Komponist zu werden. 1860 erkrankte er dort an einer Lungenentzündung; Griegs rechter Lungenflügel war seitdem nicht mehr funktionsfähig und er litt nun lebenslang unter Atemschwierigkeiten. Grieg been­dete sein Studium im Frühjahr 1862 und erhielt ein sehr gutes Abgangszeugnis. In einem öffentlichen Gewandhauskonzert im April trug er aus diesem Anlass drei von seinen Vier Klavierstücken op. 1 vor.
Nach einem Jahr Aufenthalt in Bergen reiste Grieg nach Kopenhagen, wo er die Hinwendung zur nordischen Volksmusik vollzog. In der dänischen Hauptstadt lernte der Komponist auch seine zukünftige Frau kennen, seine Kusine Nina Hagerup, die Sängerin war. Zugleich schloss Grieg Freundschaft mit dem temperamentvollen und umtriebigen Komponisten Rikard Nordraak (der bereits 1866 an Tuberkulose starb). Während seines zweijährigen Aufenthalts in Kopenhagen war Grieg äußerst produktiv: Es entstanden 26 Lieder, fünf Chöre, 13 Klavierstücke, eine Sinfonie sowie zwei Sonaten.Die Schauspielmusik zu Der Heiratsantrag auf Helgoland ist bis auf ein Klavierlied verloren gegangen.
Als sich der Komponist 1866 in Rom aufhielt, lernte er u.a. den dorthin umgesiedelten Henrik Ibsen kennen, den er um Rat und Referenz für seine Idee, Theaterkapellmeister in Oslo zu werden, bat. Obwohl aus diesem Vorhaben nichts wurde, ließ sich Grieg in der norwegischen Hauptstadt nieder.
1867 veröffentlichte er sein erstes Heft Lyrische Stücke op.12, dem noch weitere neun Hefte folgen sollten. Diese Klavierkompositionen sind Hausmusik mit künstlerischem Anspruch und begründeten Griegs internationale Popularität. Im Jahr darauf komponierte er sein Klavierkonzert, das ebenfalls international erfolgreich war und es bis heute geblieben ist.
Auf einer weiteren Reise nach Rom 1869/70 lernte Grieg Franz Liszt kennen, der ihn auf seinem künstlerischen Weg bestärkte. Seit 1874 bekam Grieg einen jährlichen staatlichen Ehrensold, wodurch er seine bisherigen aktiven Verpflichtungen als Dirigent in Oslo einschränken konnte. Im selben Jahr gewann Ibsen Grieg für die Komposition der Schauspielmusik zu seinem Drama Peer Gynt. Das Stück war äußerst erfolgreich, die Musik unterlag zu Lebzeiten des Komponisten jedoch vielfältigen Änderungen, je nach den Aufführungsgegebenheiten des Schauspiels. Seit 1988 liegt in der Grieg-Gesamtausgabe eine Partitur vor, die alle bekannten vorhandenen Bestandteile der Bühnenmusik enthält.
1888 und 1895 komponierte Grieg zwei Peer-Gynt-Suiten, die weltweiten Erfolg hatten. Ein hochgradig virtuoses Soloklavierwerk schuf Grieg mit der g-Moll-Ballade op. 24, die aus vierzehn Variationen über das Lied Der nordländische Bauer besteht. Einen ersten Höhepunkt im Vokalschaffen Griegs bilden die 1876 komponierten sechs Klavierlieder op. 25 auf Texte von Henrik Ibsen. 1877/78 entstand Griegs erstes Streichquartett, das technisch souverän gearbeitet und bis heute anerkannt ist. Von einem zweiten Quartett komponierte Grieg nur die beiden ersten Sätze, die beiden letzten blieben Fragment.
1880 ließ er sich wieder in Bergen nieder, wo er leitender Dirigent beim „Musikverein Harmonien“ wurde. Er war mittlerweile ein national und international berühmter Künstler und konnte sorgenfrei leben. Mit seinem Verleger Peters aus Leipzig hatte Grieg ein Jahresgehalt ausgehandelt. Seit 1889 garantierte der Verlag dem Komponisten und seiner Frau sogar lebenslange finanzielle Sicherheit.
Grieg unternahm immer wieder viele Reisen mit zum Teil längeren Auslandsaufenthalten. Seit 1887 kamen als Länder, die er aufgrund von Konzertreisen aufsuchte, neben Deutschland und Dänemark auch England, Frankreich und Polen hinzu.
In den 1890er Jahren begann Grieg zunehmend gesundheitlich anfällig und immer wieder krank zu werden. Als Komponist erhielt er Auszeichnungen wie den Ehrendoktor der Universität Cambridge und wurde Mitglied der Akademie der Künste in Berlin. 1894 beteiligte sich Grieg an einem norwegischen Lesebuch mit den sieben Kinderliedern op. 61, die bis heute in norwegischen Schulgesangbüchern enthalten sind. In seinem Todesjahr gab er letzte Konzerte in Oslo, Kopenhagen, München, Berlin und Kiel. Der Komponist starb am 4. September in Bergen. Grieg ist heutzutage die unumstrittene Identifikationsfigur bei der Nennung norwegischer Musik. Seine besten Werke entstanden auf dem Gebiet des Sololiedes und der überwiegend der Programmmusik verpflichteten Klavierstücke. Äußerst erfolgreich waren auch das Klavierkonzert, das vollendete Streichquartett, die drei Violinsonaten und die Schauspielmusik zu Peer Gynt. Zu einer Popularisierung seiner Kompositionen trug Grieg selbst durch eine intensive Bearbeitungspraxis bei. Als Markenzeichen Griegs gilt die immer wieder verwendete Chromatik (s.u.) in seiner Musik. Seine Kompositionen wirken dadurch ihrem Grundcharakter nach elegisch-verhalten, melancholisch bis schmerzvoll-resignativ.
Seine Position als Nationalkomponist festigte Grieg durch politische Solidarität, die er vor allem in Unrechtssituationen stets öffentlich zum Ausdruck brachte. Der Komponist strebte eine kulturelle nationalstaatliche Erneuerung Norwegens an und setzte sich daher für Nynorsk ein, die neunorwegische Sprache, die in Wirklichkeit auf alten Sprachmodellen beruht und keine fremden Sprachen adaptiert.
E.H.

Hörtipps:
- Lyrische Stücke, Hakon Austbo, Brilliant.
Complete Music with Orchestra, Gothenburg Symphony Orchestra, Neeme Järvi, DG.
- Peer Gynt-Suiten Nr. 1 & 2, Klavierkonzert, Géza Anda, Gothenburg Symphony Orchestra, Neeme Järvi, Rafael Kubelik, DG.

Dienstag, 03.12.2013

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