Elgar, Sir Edward (1857 - 1934)

aus kultur Nr. 55 - 3/2009

Von Richard Strauss wurde er als „the first English Progressivist“ („der erste fortschrittliche Engländer“) bezeichnet - in der Musikgeschichte ist er der bekannteste englische Komponist zwischen Purcell und Britten.
Geboren in Broadheath bei Worcester als viertes von sieben Kindern lernte Elgar wie sein Vater Violine und Klavier zu spielen. Sein Vater William Henry hatte sich 1841 als Klavierstimmer selbständig gemacht und eröffnete Anfang der 1860er Jahre eine Musikalienhandlung. Hier bildete sich Elgar autodidaktisch an Partituren und Lehrbüchern über Kontrapunkt und Harmonielehre und über das Orgelspielen. Sein erster Kompositionsversuch war im Alter von zehn Jahren eine Humoreske.
Elgar verfügte über reichhaltige musikpraktische Erfahrungen: Als Violinist, Begleiter, Arrangeur, Dirigent und Nachfolger seines Vaters als Organist an der St. George’s Catholic Church erwarb er die Voraussetzungen für sein meisterhaftes Orchestrieren. Seit 1877 war er Konzertmeister und ab 1882 Dirigent der Worcester Amateur Instrumental Society. Aus Mitgliedern dieses Ensembles ging ein Bläserquintett hervor (entgegen der üblichen Besetzung mit zwei Flöten und ohne Horn), in dem Elgar Fagott spielte. Die 1898 gegründete Worcestershire Philharmonic Society leitete er bis 1904.
Bis 1890 komponierte Elgar mehrere kleinere Stücke: geistliche Chormusik, Salonmusik und Stücke für die Ensembles, in denen er mitwirkte. Für die großen Amateurchöre Mittel- und Westenglands und ihre Musikfeste entstanden Kantaten und Oratorien. Das Oratorium The Dream of Gerontius (1899/1900), das 1902 beim Niederrheinischen Musikfest aufgeführt wurde, war eines der ersten Werke, die Elgar international bekannt machten. Die Variations on an Original Theme (1898/99), auch Enigma-Variationen genannt, brachten ihm den wichtigen Durchbruch in der Londoner Konzertszene. Dem Thema dieses Werkes folgen 13 Variationen, die jede eine Person aus Elgars Freundeskreis beschreibt, während die 14. ihn selbst charakterisiert.
Zu Elgars bekanntesten Kompositionen zählen die fünf Pomp and Circumstance-Märsche (1901-1930). Die erste seiner beiden vollendeten Sinfonien brachte Elgar 1908 schließlich endgültig die internationale Anerkennung. Bis Ende 1909 wurde sie 84 Mal in verschiedenen Städten Europas, den USA und Australien aufgeführt.
Eine Reihe von Werken schrieb Elgar für das englische Königshaus, unter ihnen Caractacus (1898) und die Coronation Ode (1902). Diese basiert auf dem ersten der Pomp and Circumstance-Märsche und wurde in England mit dem Text „Land of Hope and Glory“ zur zweiten Nationalhymne. Sie wird bis heute alljährlich zur Last Night of the Proms gespielt. 1924 wurde der Komponist schließlich zum Master of the ­King’s Musick (!) ernannt.
Von 1904 bis 1908 übernahm Elgar eine Stiftungsprofessur an der Universität Birmingham. In acht Vorlesungen (1905-06) beteiligte er sich an der Diskussion über die Rolle der zeitgenössischen englischen Musik. Elgar erhielt zahlreiche Ehrendoktorate und Auszeichnungen: 1904 wurde er in den renommierten Londoner Athenäum Club gewählt, im gleichen Jahr wurde er durch Edward VII. zum Ritter geschlagen; 1911 erhielt er den Order of Merit.
Während des Ersten Weltkrieges entstand eine Reihe von patriotischen Gelegenheitswerken sowie die Ballettmusik The Sanguine Fan und die Bühnenmusik The Starlight Express. Die so genannten „Brinkwells-Stücke“ (benannt nach dem Sommerhaus, das der Komponist 1917-21 nutzte) sind die Violinsonate, das Streichquartett, das Klavierquintett und das Cellokonzert. Besonders der erste Satz des Klavierquintetts fand bei seinem Freund George Bernhard Shaw großen Anklang.
Nach dem Tod seiner Frau Caroline Alice Roberts im Jahre 1920 hatte Elgar eine Schaffenskrise. In dieser Zeit transkribierte er Werke wie z.B. J.S. Bachs Orgelwerk Fantasie und Fuge c-moll für großes Orchester und er nahm als Dirigent Schallplatten mit eigenen Werken auf. Erst 1932/33 verfolgte er das Projekt einer Oper The Spanish Lady und begann mit der Komposition seiner dritten Sinfonie. Durch seinen Tod blieben beide Werke unvollendet. Die Skizzen zur dritten Sinfonie komplettierte seit 1993 Anthony Payne; die Uraufführung dieses Werks erfolgte 1998.
Elgars Werke zeichnen sich durch eine meisterhafte Instrumentation aus. Sie zeigen eine Vorliebe für das Sequenzieren (s.u.) und die harmonische Ausweichung. Viele seiner Themen verwenden einen dreizeitigen Rhythmus. Mit seiner Neigung zu einem unorthodoxen Umgang mit den harmonischen Beziehungen befindet er sich auf dem Weg zur Auflösung kompositorischer Verbindlichkeiten im frühen 20. Jahrhundert. Ein wichtiges Verhältnis hatte Elgar zur Musik Wagners, dessen Tristan er 1893 als „the Best and the whole of the Best of this world and the Next“ (das Beste und das Allerbeste dieser Welt und der nächsten) bezeichnete. E.H.

Hörtipps:
- Elgar conducts Elgar: Enigma Variations, Cockaigne Overture, Pomp and Circumstance, Royal Albert Hall Orchestra, London Symphony Orchestra, BBC Symphony Orchestra, Elgar, Naxos.
- Symphonies 1 & 2, Pomp and Circumstance Marches, Royal Philharmonic Orchestra, Menuhin, Virgin Classics.
- Violinkonzert op. 61, Hilary Hahn, London Symphony Orchestra, Davis, DG.
- Streichquartett e-Moll, Klavierquintett a-Moll, Mistry String Quartet, David Owen Norris, Decca.

Mittwoch, 05.01.2011

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